Einerseits, aber andererseits...
Gerade ein Jahr alt und unser Sohn läuft nicht nur, sondern fängt auch an die ersten Wörter zu sprechen. Oder besser gesagt: Er wiederholt Laute und fängt an, sie Objekten zuzuordnen auf die er zeigt.
Ein paar Worte konnte er schon vorher, wir waren uns aber nicht sicher, ob er auch versteht, dass sie eine Bedeutung haben oder sie nur eine Stimmübung für ihn waren.
Ich habe schon früh angefangen ihm das deutsche „R“ beizubringen, da es viele Chinesen tatsächlich nicht aussprechen können.
Er hat es spielerisch sofort aufgenommen und liebt es hin und wieder einfach dazuliegen und „Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr“ von sich zu geben. Es wirkt fast, als würde er angeben wollen, indem er allen Umstehenden zeigt, dass er etwas formulieren kann, was sie nicht können.
Das erste gesprochene Wort war natürlich eine ganz grosse Sache. Da ich mit ihm ausschliesslich auf Deutsch rede und der Rest der Familie auf Chinesisch, war natürlich die Frage: Wird sein erstes Wort ein deutsches oder ein chinesisches sein ?
Es hat sich fast wie ein kleiner Wettlauf angefühlt und obwohl es eigentlich egal ist, hat jeder insgeheim gehofft, dass er ein Wort aus seiner Sprache wählt.
Die Wahrscheinlichkeit dass es ein chinesisches sein würde, war natürlich wesentlich höher, da er den halben Tag, wenn meine Frau und ich arbeiten sind, bei den Schwiegereltern verbringt und auch so jeder ausser mir Chinesisch mit ihm spricht.
Hinzu kommt, dass einige chinesische Wörter sehr einfach zu lernen sind (zumindest die Aussprache). Sie haben oft nur eine Silbe und viele bilden tatsächlich Grundlaute ab, die Kleinkinder schnell lernen zu sprechen so wie da, ba, du, la, li, lu usw. Das ist im Deutschen schon etwas aufwendiger.
Während er von chinesischer Seite immer „dēng“ zu hören bekommt, wenn er auf die Lampe an der Decke zeigt, kontere ich immer mit „Lampe“.
Es ist zwar nur eine Silbe unterschied, aber dieses Schema zieht sich durch die beiden Sprachen wie ein roter Faden. Das deutsche Wort ist immer länger als das chinesische und hat viele unterschiedliche Laute.
Aber unser Sohn hat sich tatsächlich anders entschieden und das Wort „Mama“ zu seinem ersten Wort gemacht.
„Mama“ im deutschen oder „mā ma“ im chinesischen kann man tatsächlich gesprochen nicht unterscheiden.
Unser Sohn hat unseren kleinen Wettlauf einfach umgangen und ganz diplomatisch den Mittelweg gewählt. Schlaues Kerlchen!
Unbewusst hat er damit eine sehr chinesische Verhaltensweise an den Tag gelegt, die schon in Klassikern wie „Maß und Mitte“ (Originaltitel 中庸 zhōng yōng), einem Abschnitt im „Buch der Riten“ (礼记 lǐ jì ) ausführlich behandelt wird.
Die Rede ist hier von „goldenen Weg“, den es in der Deutschen Sprache auch und zwar als „goldene Mitte“ gibt.
Ein konfuzianischer Verhaltenskodex, der Extreme als den falschen und den Mittelweg als den richtigen Weg ansieht.
So entscheidet man sich nie für eine Seite, sondern versucht, in guter alter Tradition des Ying und Yang (阴阳 yīn yáng) in der Mitte zu bleiben und das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.
Man könnte auch sagen: „Bleibt man nur schön in der Mitte, sieht jeder Abgrund kleiner aus“ (wie es im Liedtext zu „Kleine Schriite“ der Band „grau“ heisst).
Auch ich habe von meiner damaligen Chinesischlehrerin immer wieder gesagt bekommen, dass dieses Prinzip so weit in der chinesischen Kultur verankert ist, dass es im grossen Stil sogar die Sprache prägt, selbst wenn sich heute kaum noch jemand danach verhält.
Ein Umstand, den ich mir zunutze machen sollte beim HSK-Test (dem offiziellen Sprachtest für Chinesisch).
„Wenn Du Dir bei einer Multiple Choice Frage nicht sicher bist“, sagte sie immer „dann schau Dir die Antworten an. Eine direkte und eindeutige Antwort ist in jedem Fall falsch“. Und sie hatte natürlich Recht.
Eine Antwort im chinesischen ist in den seltensten Fällen eindeutig. Es heisst immer: „Auf der einen Seite“... bla, bla, bla „aber auf der anderen Seite“... bla, bla, bla.
Interessanterweise fängt auch eine Rüge immer mit dem Aufzählen der guten Dinge an, bevor man auf das eigentliche Thema kommt.
Bei einer Antwort weiss man oft gar nicht so genau ob der Gegenüber eine Sache jetzt befürwortet oder ablehnt.
Ich hatte es irgendwo anfangs dieses Blogs bereits erwähnt, dass es genau diese Ungenauigkeit ist, die viele ausländische Unternehmen dazu verleiten falsche Entscheidungen zu treffen.
Ein „Ja, wir können das“ bedeutet nicht in jedem Falle, dass die Gegenpartei es wirklich kann, oft ist es einfach Höflichkeit und eine Floskel um nicht das Gesicht zu verlieren.
Und es wird natürlich auch immer wieder gerne missbraucht um in der Geschäftswelt falsche Tatsachen glaubhaft zu machen (besonders wirkungsvoll bei ausländischen Geschäftspartnern, die nicht selten darauf hineinfallen).
Das ist definitiv etwas, an das man sich gewöhnen muss, wenn man im Reich der Mitte lebt, es umgibt einen tagtäglich.
Ein paar Worte konnte er schon vorher, wir waren uns aber nicht sicher, ob er auch versteht, dass sie eine Bedeutung haben oder sie nur eine Stimmübung für ihn waren.
Ich habe schon früh angefangen ihm das deutsche „R“ beizubringen, da es viele Chinesen tatsächlich nicht aussprechen können.
Er hat es spielerisch sofort aufgenommen und liebt es hin und wieder einfach dazuliegen und „Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr“ von sich zu geben. Es wirkt fast, als würde er angeben wollen, indem er allen Umstehenden zeigt, dass er etwas formulieren kann, was sie nicht können.
Das erste gesprochene Wort war natürlich eine ganz grosse Sache. Da ich mit ihm ausschliesslich auf Deutsch rede und der Rest der Familie auf Chinesisch, war natürlich die Frage: Wird sein erstes Wort ein deutsches oder ein chinesisches sein ?
Es hat sich fast wie ein kleiner Wettlauf angefühlt und obwohl es eigentlich egal ist, hat jeder insgeheim gehofft, dass er ein Wort aus seiner Sprache wählt.
Die Wahrscheinlichkeit dass es ein chinesisches sein würde, war natürlich wesentlich höher, da er den halben Tag, wenn meine Frau und ich arbeiten sind, bei den Schwiegereltern verbringt und auch so jeder ausser mir Chinesisch mit ihm spricht.
Hinzu kommt, dass einige chinesische Wörter sehr einfach zu lernen sind (zumindest die Aussprache). Sie haben oft nur eine Silbe und viele bilden tatsächlich Grundlaute ab, die Kleinkinder schnell lernen zu sprechen so wie da, ba, du, la, li, lu usw. Das ist im Deutschen schon etwas aufwendiger.
Während er von chinesischer Seite immer „dēng“ zu hören bekommt, wenn er auf die Lampe an der Decke zeigt, kontere ich immer mit „Lampe“.
Es ist zwar nur eine Silbe unterschied, aber dieses Schema zieht sich durch die beiden Sprachen wie ein roter Faden. Das deutsche Wort ist immer länger als das chinesische und hat viele unterschiedliche Laute.
Aber unser Sohn hat sich tatsächlich anders entschieden und das Wort „Mama“ zu seinem ersten Wort gemacht.
„Mama“ im deutschen oder „mā ma“ im chinesischen kann man tatsächlich gesprochen nicht unterscheiden.
Unser Sohn hat unseren kleinen Wettlauf einfach umgangen und ganz diplomatisch den Mittelweg gewählt. Schlaues Kerlchen!
Unbewusst hat er damit eine sehr chinesische Verhaltensweise an den Tag gelegt, die schon in Klassikern wie „Maß und Mitte“ (Originaltitel 中庸 zhōng yōng), einem Abschnitt im „Buch der Riten“ (礼记 lǐ jì ) ausführlich behandelt wird.
Die Rede ist hier von „goldenen Weg“, den es in der Deutschen Sprache auch und zwar als „goldene Mitte“ gibt.
Ein konfuzianischer Verhaltenskodex, der Extreme als den falschen und den Mittelweg als den richtigen Weg ansieht.
So entscheidet man sich nie für eine Seite, sondern versucht, in guter alter Tradition des Ying und Yang (阴阳 yīn yáng) in der Mitte zu bleiben und das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.
Man könnte auch sagen: „Bleibt man nur schön in der Mitte, sieht jeder Abgrund kleiner aus“ (wie es im Liedtext zu „Kleine Schriite“ der Band „grau“ heisst).
Auch ich habe von meiner damaligen Chinesischlehrerin immer wieder gesagt bekommen, dass dieses Prinzip so weit in der chinesischen Kultur verankert ist, dass es im grossen Stil sogar die Sprache prägt, selbst wenn sich heute kaum noch jemand danach verhält.
Ein Umstand, den ich mir zunutze machen sollte beim HSK-Test (dem offiziellen Sprachtest für Chinesisch).
„Wenn Du Dir bei einer Multiple Choice Frage nicht sicher bist“, sagte sie immer „dann schau Dir die Antworten an. Eine direkte und eindeutige Antwort ist in jedem Fall falsch“. Und sie hatte natürlich Recht.
Eine Antwort im chinesischen ist in den seltensten Fällen eindeutig. Es heisst immer: „Auf der einen Seite“... bla, bla, bla „aber auf der anderen Seite“... bla, bla, bla.
Interessanterweise fängt auch eine Rüge immer mit dem Aufzählen der guten Dinge an, bevor man auf das eigentliche Thema kommt.
Bei einer Antwort weiss man oft gar nicht so genau ob der Gegenüber eine Sache jetzt befürwortet oder ablehnt.
Ich hatte es irgendwo anfangs dieses Blogs bereits erwähnt, dass es genau diese Ungenauigkeit ist, die viele ausländische Unternehmen dazu verleiten falsche Entscheidungen zu treffen.
Ein „Ja, wir können das“ bedeutet nicht in jedem Falle, dass die Gegenpartei es wirklich kann, oft ist es einfach Höflichkeit und eine Floskel um nicht das Gesicht zu verlieren.
Und es wird natürlich auch immer wieder gerne missbraucht um in der Geschäftswelt falsche Tatsachen glaubhaft zu machen (besonders wirkungsvoll bei ausländischen Geschäftspartnern, die nicht selten darauf hineinfallen).
Das ist definitiv etwas, an das man sich gewöhnen muss, wenn man im Reich der Mitte lebt, es umgibt einen tagtäglich.
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