Die in hell
Zum Frühlingsfest wurden viele Strassen mit Lichterketten oder ähnlichem geschmückt.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie folgenden Satz sehen:
„Die in hell !“?
Völlig losgelöst, wenn es nicht in einem deutschen Text stehen würde, wette ich dass die meisten Englisch sprechenden unter Ihnen es wahrscheinlich für eine Verwünschung, eine unflätige Beschimpfung oder den Titel eines Speedmetal-Albums halten würden.
Dabei kann es, wenn man es deutsch interpretiert, auch einfach die Antwort auf die Frage „Welche Palette möchten Sie gerne als Farbspektrum für Ihr neues Wohnzimmer auswählen ?“ sein.
Man geht normalerweise immer von sich selber aus, wenn man etwas bewertet, dabei vergisst man oft, dass andere Leute den Fokus anders setzen.
Immer wieder zu beobachten bei Erwachsenen und Kindern. Man verbringt etwas Zeit mit dem Nachwuchs und baut eine Eisenbahnstrecke mit ihnen auf. Dabei sieht man zu, dass man mit Hilfe der vorhandenen Schienenteile einen möglichst interessanten Verlauf zusammenbaut, der sich hier und da mal teilt und an anderer Stelle wieder zusammenläuft und versucht Sackgassen zu vermeiden.
Dann registriert man, dass am anderen Ende die gerade aufgebaute Strecke bereits wieder auseinandergerissen wurde, um die Station und direkt dahinter den Prellbock für das Abstellgleis anzuhängen.
Das ist aus Erwachsenensicht nicht besonders sinnvoll, wenn man aber die Kleinen spielen sieht, merkt man, dass die gesamte Strecke, die man durch Tunnel und über Brücken gebaut hat, völlig vernachlässigt wird, weil man gerade mit dem Kopf seitlich auf den Boden gelegt einfach „Zug im Bahnhof“ spielt und mit Ausdauer immerzu das Rädchen dreht, das die Schiebetüre zum Bahngleis auf- und zugleiten lässt. (ist mir letztens passiert. Kommt man sich ein wenig doof vor als Papa, lässt sich aber manchmal nicht vermeiden).
Schnell entstehen aus solchen Filtern Vorurteile oder sie machen sich anderweitig selbständig und verzerren unsere Sichtweise.
Genau so bewertet man als Ausländer oft das Leben in China, oder anders herum, wird man von Chinesen auch oft nach einem nicht passenden Verfahren bewertet.
Missverständnisse sind also vorprogrammiert, schreibe ich ja immer wieder drüber in diesem Blog. Was jetzt aber nicht nur schlechte Auswirkungen hat, schliesslich machen sie das Leben erst interessant und aus vielen von ihnen bilden sich tatsächlich lustige Szenarien, über die man später lachen kann und die manchmal auch die Beteiligten näher zusammenbringen.
Das Vorurteil, dass man als Europäer fast ausschliesslich Fleisch isst und einem daher stets die Teller mit den Gemüsespeisen vorenthalten werden, obwohl man viele von ihnen gerne essen würde, ist zum Beispiel eine dieser Auswirkungen.
Bringt man das ganze dann irgendwann zur Sprache, sind Lacher gewiss. Man denke nur an die Szenen zurück, als zu jedem zweiten Gericht eine Entschuldigung mit serviert wurde, dass der Fleischanteil so gering sei, während einem die gerade neu kennengelernte Gemüsespeise, die durchaus den Sprung in die Liste der persönlichen Lieblingsspeisen schaffen könnte, wieder abgenommen wird.
Es gibt natürlich auch die Situationen, in denen diese Missverständnisse nicht zu positiven Erlebnissen führen.
Wenn man, wie so oft als Ausländer, auf dem morgendlichen Weg zur Arbeit als leichte Beute von den Bettlern angesehen wird zum Beispiel.
Ich hatte bereits früher darüber berichtet, dass man wirklich bedürftige Menschen nicht von den professionellen Bettlern unterscheiden kann.
Ich gebe grundsätzlich nichts, schon alleine aus Selbstschutz und ziehe an menschenüberlaufenen Plätzen nicht mein Portemonnaie hervor. Inzwischen trage ich es auch gar nicht mehr leicht zugänglich in der Hosentasche, da ich an einem normalen Arbeitstag eh alles mit dem Mobiltelefon bezahlen kann (abgesehen von Bettlern eben).
Und obwohl ich jeden morgen an ein und demselben Bittsteller vorübergehen muss, will dieser partout nicht verstehen, dass der Ausländer mit dem grossen Kopfhörer auf dem Kopf nicht auf seine Rufe reagiert, genauso wie die Tage und Wochen zuvor schon. Und dieser Ausländer mag es auch überhaupt nicht, wenn man ihm nachläuft und ihn versucht am Arm festzuhalten.
Ich gehe davon aus, dass diese Aktion aus reinem Kalkül entstanden ist um Aufmerksamkeit zu erregen und somit die Ausländer, die nichts geben wollen, in eine unangenehme Position zu bringen um ihnen so doch noch Geld zu entlocken, was die Vermutung nahe legt, dass es eher einer von der professionellen Sorte ist.
Womit der Satz „Die in hell“ wieder seine englische Bedeutung annimmt und durchaus als Verwünschung zu verstehen ist.
Neuerdings sind öfter Polizisten vor Ort, weshalb besagte Person sich nicht mehr blicken lässt. Durchaus möglich, dass sie extra seinetwegen jetzt öfter vorbeischauen, denn Bettler sind in der Hauptstadt von offizieller Seite überhaupt nicht gerne gesehen.
Comments
Display comments as Linear | Threaded