Movement
Ein Ausblick, den man nur selten bekommt in Beijings U-Bahn.
1980 nach dem Selbstmord des Sängers Ian Curtis formierte sich aus der Band Joy Division, die wir bereits im Artikel We want an empty sound kennengelernt haben, New Order. Dies ist ihr Debütalbum und es markiert auf interessante Weise einen, wenn nicht sogar mehrere Wendepunkte.
Es beschreibt, nach dem Tod des Frontmanns, die Suche nach etwas Neuem. Abgesehen davon, dass die Musik sich zwangsläufig ändern muss, nach dem Ausscheiden eines Musikers, so wird hier auch der Sprung in ein komplett anderes Territorium gewagt: Die elektronische Musik mit der New Order später sehr berühmt geworden sind (Die Auskopplung des 1983 erschienen Stücks „Blue Monday“ soll angeblich die meistverkaufte Vinyl Maxi-Single weltweit sein).
Aber zurück zu den Anfängen: Das besondere an dem Album „Movement“ ist der Umstand, dass es genau den Übergang zwischen (mehr oder weniger) klassischer Rockmusik mit Gitarre, Bass und Schlagzeug und elektronischer Musik darstellt.
Wenn man es mit den Stücken der Vorgängerband Joy Division vergleicht, klingt es sehr elektronisch, stellt man jedoch andere elektronische Musik daneben, wirkt es doch noch sehr „handgemacht“ (wenn ich das mal so sagen darf).
Man erkennt definitiv aus beiden Richtungen Stile. Die die aus der Vergangenheit eingeflossen sind und die in deren Richtung sich die Musik später entwickelt hat.
Der Titel „Movement“ ist clever gewählt, beschreibt er doch, neben anderem, auch die Bewegung hin zu etwas Neuem.
Ein derartiges Album hat die Band nie wieder gemacht, es beschreibt einen besonderen Zeitabschnitt und zollt durch seine Einzigartigkeit irgendwie auch dem verstorbenen Bandmitglied Respekt.
Solche perfekten Momente, in denen alles zu stimmen scheint und die ganz tolle Dinge hervorbringen gibt es im Leben immer wieder, nicht bloss in der Musik.
Eines dieser Erlebnisse möchte ich heute gerne mit Ihnen teilen, es ist zwar aus allgemeiner Sicht nicht so grossartig wie dieses Album, aber für mich persönlich durchaus vergleichbar.
Es war die Zeit von 2010 bis 2012, als ich das erste Mal in Beijing gelebt habe:
Auch ich hing sprichwörtlich irgendwo in der Luft, als der Standort meiner damaligen Firma an dem ich gearbeitet hatte geschlossen wurde und ich mit einer finanziellen Abfindung und besten Wünschen entlassen wurde.
Ich ging dann nach Beijing um Chinesisch zu lernen, wie sich später herausstellen sollte eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
Es hat mich natürlich jeder für verrückt erklärt (allen voran meine Familie und der Sachbearbeiter beim Arbeitsamt).
Warum sollte man in ein Land gehen von dem man im Westen so wenig weiss, versuchen eine der (wenn nicht sogar die) schwersten Sprachen der Welt zu lernen und all das ohne einen Bezug zum Arbeitsleben zu haben.
Es war eine Herausforderung, die ich an mich selbst gestellt hatte, ich wollte mir etwas beweisen. Nämlich dass ich es schaffen kann. Und zwar ganz alleine, auch (oder gerade deswegen) entgegen der einhelligen Meinung der breiten Masse, dass so ein Unterfangen sinnlos sei (noch dazu in einem Alter in dem man sich doch langsam bitte etwas berechenbarer verhalten sollte).
Ich habe später das Gelernte dann doch genutzt um mich beruflich weiterzuentwickeln (weshalb ich ja nun hier in China bin), aber vorher hat das Hochgefühl, das mir der bestandene Sprachtest beschert hat, noch mein Selbstwertgefühl in dem Masse beeinflusst, dass ich später wieder in Deutschland auch noch eine Umschulung gemacht habe.
Rückblickend also ein Erfolg auf ganzer Linie. Aber verharren wir für einen kurzen Moment bei der Zeit zwischen 2010 und 2012.
Weiten wir den jährlichen Jahresrückblick kurz vor Silvester noch ein wenig aus und schauen woher wir (in diesem Fall ich) gekommen sind.
Genau wie die vorhin beschriebene Musik kann man Spuren erkennen aus dem alten Leben und bereits neue Nuancen entdecken, die die Zukunft gestaltet werden, was sie ja dann auch tatsächlich getan haben.
Es ist alles noch nicht so gefestigt wie es heute ist, sondern noch in der Entwicklung, wie die Stücke der Band New Order.
Man muss sich solche Momente immer wieder vor Augen führen und kann dann, ein wenig melancholisch (auch das passt zum Album „Movement“), darüber sinnieren dass es nie wieder so sein wird wie es damals war, wohlwissend, dass sich alles zum Guten gewandt hat.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen einen guten Rutsch und einen guten Start ins neue Jahr 2019.
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