Haus der Lüge
Jedes Mal wenn wir durch die Stadt fahren, können wir sie sehen. Auch in der Nähe meiner Arbeit gibt es eines.
Geisterhäuser, wie man sie im deutschen nennen würde. Leerstehende Gebäude, meist Wolkenkratzer, deren leeren Fensteröffnungen, oder manchmal auch komplett offenen Wände mitten im Grossstadtdschungel stumpf in die gegenüberliegenden Bürotürme zu glotzen scheinen.
Auch Beijings grosser, neuer Turm, der 中国尊 (zhōng guó zūn) war eine Zeit lang eines von ihnen, wie wir aus dem Nachtrag im Artikel Der dunkle Turm wissen.
Im Enthusiasmus des äusserst lukrativen Baubooms in Chinas Grossstädten kommt es nicht selten vor, dass sich einer der Bauherren dann doch einmal übernimmt und die Kosten nicht tragen kann, oder seine Firma geht zwischenzeitlich Bankrott, oder er wird wegen krummer Geschäfte ins Gefängnis gesteckt oder, oder, oder. Das alles kommt öfter vor, als man gemeinhin denkt.
Dann steht die Baustelle erst einmal still. Und wenn sich auch nach Jahren niemand gefunden hat, der das begonnene Projekt weiterführen will, bleibt das Haus ein Geisterhaus.
Einige von ihnen existieren schon sehr lange. Zwei von ihnen, die bereits Geisterhäuser waren als ich 2015 nach Beijing gezogen bin, stehen auch heute noch leer. Sie sind auf den Fotos zu sehen.
Im Chinesischen nennt man sie 烂尾楼 (làn wěi lóu).
烂尾 (làn wěi) heisst wörtlich übersetzt der verrottende Schwanz, bedeutet in diesem Fall aber so etwas wie „schlimmes Ende“ und 楼 (lóu) heisst einfach Gebäude.
Im deutschen assoziiert man schnell Geister mit ungenutzten Orten: Geisterschiffe oder Geisterhäuser haben die Vorstellungskraft der Menschen seit jeher inspiriert.
Und hier in Asien, wo man bis heute vielerorts einem Geisterglauben anhängt (hatten wir im Artikel Zu glauben ist schwer, nichts zu glauben ist unmöglich. drüber gesprochen), sollte man meinen, dass es auch derartige Geschichten zu diesen Orten gibt.
Aber Pustekuchen! Nichts dergleichen. Es sind einfach leere Gebäude. Keine Magie, keine übersinnlichen Wesen, Dämonen oder Teufel. Einfach nur Bauruinen.
Ich kann ihnen gar nicht sagen, wie enttäuscht ich bin. Das wäre doch ein schöner Artikel geworden.
Nun, denn. Dann müssen wir uns auf etwas anderes in diesem Zusammenhang konzentrieren. Kommen wir wieder einmal zurück auf die guten, alten „Einstürzenden Neubauten“.
Dass diese teils sehr grossen Wolkenkratzer einfach ohne Wartung und Pflege vor sich hin rotten, lässt schnell die Befürchtung aufkommen, dass sie tatsächlich eines Tages in sich zusammenfallen könnten.
Warum kommt es immer wieder zu solchen Bauvorhaben, die nicht beendet werden ? Nun, aus den Gründen, die wir vorhin bereits angesprochen haben.
Ich möchte gar nicht allen Bauherrn in China unterstellen, dass sie ihr Vorhaben nicht vollenden können weil sie „Dreck am Stecken“ haben, es gibt sicherlich auch viele, die die Kosten falsch eingeschätzt haben.
Eine Baustelle ist ja bekanntlich immer teurer, als ursprünglich berechnet. Dazu kommem sicherlich auch noch Baufirmen, die mit fiesen Tricks mehr aus dem ursprünglichen Vertrag herauszaubern möchten als eigentlich abgemacht.
China ist ja leider Gottes für fiese Tricks dieser Art berühmt, berüchtigt. Man sollte also besser kein Blinder sein, der glaubt was er sieht oder ein Tauber, der glaubt was er hört (um mal bei dem Lied „Haus der Lüge“ zu bleiben).
Aber die Gebäude stehen auch für einen Immobilienmarkt, der von vielen spitzfindigen teils mehr, teils weniger zwielichtigen Gestalten überflutet wurde.
Es ist kein Geheimnis, dass in den grossen chinesischen Metropolen hiermit unglaublich viel Geld verdient wird.
Und wo Geld ist, sind Gauner natürlich nicht weit. Neben vielen vergleichsweise kleineren Vorkommnissen, gibt es auch immer wieder Geschichten davon, dass der Mietspiegel im grossen Stil künstlich angehoben wurde.
Wie viel davon Verschwörungstheorie ist und wie viel Wahrheit tatsächlich darin steckt, lasse ich mal dahingestellt.
Ich gebe aber zu bedenken, dass es durchaus Themen gibt, die anderswo aberwitzige Verschwörungstheorien wären, in China aber tatsächlich Alltag sind.
Halten wir am Ende einfach fest, dass diese Türme mit ihrer traurigen Eleganz an den unbarmherzigen Machtkampf im neuen China erinnern. Ich denke das ist ein gutes Bild.
Sie beschreiben einen sehr ungesunden Interessenwandel in der Gesellschaft, der das Hauptinteresse ganzer Generationen alleine auf Geld und Ansehen umgeschwenkt hat.
Die Geisterhäuser stehen für die Intrigen, fiesen kleinen und grossen Tricks und Lügen, die sie zu Fall gebracht haben.
Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass jedes von ihnen tatsächlich ein „Haus der Lüge“ ist, ähnlich dem für diesen Artikel namensgebenden Stück der „Einstürzenden Neubauten“.
Geisterhäuser, wie man sie im deutschen nennen würde. Leerstehende Gebäude, meist Wolkenkratzer, deren leeren Fensteröffnungen, oder manchmal auch komplett offenen Wände mitten im Grossstadtdschungel stumpf in die gegenüberliegenden Bürotürme zu glotzen scheinen.
Auch Beijings grosser, neuer Turm, der 中国尊 (zhōng guó zūn) war eine Zeit lang eines von ihnen, wie wir aus dem Nachtrag im Artikel Der dunkle Turm wissen.
Im Enthusiasmus des äusserst lukrativen Baubooms in Chinas Grossstädten kommt es nicht selten vor, dass sich einer der Bauherren dann doch einmal übernimmt und die Kosten nicht tragen kann, oder seine Firma geht zwischenzeitlich Bankrott, oder er wird wegen krummer Geschäfte ins Gefängnis gesteckt oder, oder, oder. Das alles kommt öfter vor, als man gemeinhin denkt.
Dann steht die Baustelle erst einmal still. Und wenn sich auch nach Jahren niemand gefunden hat, der das begonnene Projekt weiterführen will, bleibt das Haus ein Geisterhaus.
Einige von ihnen existieren schon sehr lange. Zwei von ihnen, die bereits Geisterhäuser waren als ich 2015 nach Beijing gezogen bin, stehen auch heute noch leer. Sie sind auf den Fotos zu sehen.
Im Chinesischen nennt man sie 烂尾楼 (làn wěi lóu).
烂尾 (làn wěi) heisst wörtlich übersetzt der verrottende Schwanz, bedeutet in diesem Fall aber so etwas wie „schlimmes Ende“ und 楼 (lóu) heisst einfach Gebäude.
Im deutschen assoziiert man schnell Geister mit ungenutzten Orten: Geisterschiffe oder Geisterhäuser haben die Vorstellungskraft der Menschen seit jeher inspiriert.
Und hier in Asien, wo man bis heute vielerorts einem Geisterglauben anhängt (hatten wir im Artikel Zu glauben ist schwer, nichts zu glauben ist unmöglich. drüber gesprochen), sollte man meinen, dass es auch derartige Geschichten zu diesen Orten gibt.
Aber Pustekuchen! Nichts dergleichen. Es sind einfach leere Gebäude. Keine Magie, keine übersinnlichen Wesen, Dämonen oder Teufel. Einfach nur Bauruinen.
Ich kann ihnen gar nicht sagen, wie enttäuscht ich bin. Das wäre doch ein schöner Artikel geworden.
Nun, denn. Dann müssen wir uns auf etwas anderes in diesem Zusammenhang konzentrieren. Kommen wir wieder einmal zurück auf die guten, alten „Einstürzenden Neubauten“.
Dass diese teils sehr grossen Wolkenkratzer einfach ohne Wartung und Pflege vor sich hin rotten, lässt schnell die Befürchtung aufkommen, dass sie tatsächlich eines Tages in sich zusammenfallen könnten.
Warum kommt es immer wieder zu solchen Bauvorhaben, die nicht beendet werden ? Nun, aus den Gründen, die wir vorhin bereits angesprochen haben.
Ich möchte gar nicht allen Bauherrn in China unterstellen, dass sie ihr Vorhaben nicht vollenden können weil sie „Dreck am Stecken“ haben, es gibt sicherlich auch viele, die die Kosten falsch eingeschätzt haben.
Eine Baustelle ist ja bekanntlich immer teurer, als ursprünglich berechnet. Dazu kommem sicherlich auch noch Baufirmen, die mit fiesen Tricks mehr aus dem ursprünglichen Vertrag herauszaubern möchten als eigentlich abgemacht.
Die alten Sicherheitsvorkehrungen, die den belebten Bürgersteig schützen sollen, wurden schon seit Ewigkeiten nicht mehr überprüft.
Aber die Gebäude stehen auch für einen Immobilienmarkt, der von vielen spitzfindigen teils mehr, teils weniger zwielichtigen Gestalten überflutet wurde.
Es ist kein Geheimnis, dass in den grossen chinesischen Metropolen hiermit unglaublich viel Geld verdient wird.
Und wo Geld ist, sind Gauner natürlich nicht weit. Neben vielen vergleichsweise kleineren Vorkommnissen, gibt es auch immer wieder Geschichten davon, dass der Mietspiegel im grossen Stil künstlich angehoben wurde.
Wie viel davon Verschwörungstheorie ist und wie viel Wahrheit tatsächlich darin steckt, lasse ich mal dahingestellt.
Ich gebe aber zu bedenken, dass es durchaus Themen gibt, die anderswo aberwitzige Verschwörungstheorien wären, in China aber tatsächlich Alltag sind.
Halten wir am Ende einfach fest, dass diese Türme mit ihrer traurigen Eleganz an den unbarmherzigen Machtkampf im neuen China erinnern. Ich denke das ist ein gutes Bild.
Sie beschreiben einen sehr ungesunden Interessenwandel in der Gesellschaft, der das Hauptinteresse ganzer Generationen alleine auf Geld und Ansehen umgeschwenkt hat.
Die Geisterhäuser stehen für die Intrigen, fiesen kleinen und grossen Tricks und Lügen, die sie zu Fall gebracht haben.
Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass jedes von ihnen tatsächlich ein „Haus der Lüge“ ist, ähnlich dem für diesen Artikel namensgebenden Stück der „Einstürzenden Neubauten“.
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