Beijing falten
„Das Kennzeichen des unreifen Menschen ist, dass er für eine Sache nobel sterben möchte, während der reife Mensch bescheiden für eine Sache leben möchte.“
Ein Zitat von Wilhelm Stekel, einem österreichischen Arzt und Psychoanalytiker, das auch in dem Roman „Catcher in the Rye“ von J.D. Salinger aufgegriffen wird.
Eigentlich der einizige Lichtblick in einem sonst überaus langweiligen Buch. Eine Geschichte die so nichtssagend ist, dass sie nur noch von Fontanes Effie Briest an Reizlosigkeit überboten werden kann.
Aber kommen wir zurück zum Thema: Die Jugend.
Auf der einen Seite ist es schön in Erinnerungen zu schwelgen und ihr ein wenig melancholisch nachzutrauern, auf der anderen ist es aber mindestens genau so gut, dass sie vorbei ist, schliesslich war sie bloss Vorbereitung auf das richtige Leben.
Und was macht Chinas Jugend so, mal abgesehen von studieren und mit Freunden zum Karaoke zu gehen?
Man hört, dass es eine gewisse Politikverdrossenheit unter den nachfolgenden Generationen gibt.
Das sind allerdings wieder Meldungen aus der westlichen Presse.
Dazu muss man sagen dass grundsätzlich weltweit viele Jugendliche noch kein grosses Interesse an Politik zeigen (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel), dass man in China nicht gerne offen über Politik redet und hier auch generell viele Dinge die Politik betreffen bloss Lippenbekenntnisse sind.
Bei den meisten Dozenten und Professoren an Chinas Universitäten und in vielen anderen Berufsebenen auch, ist es von Vorteil Mitglied der Partei zu sein.
Vielerorts wird man als Chinese auch ganz unverhohlen gefragt ob man nicht beitreten möchte (der bekannte Wink mit dem Zaunpfahl).
Man tut also was man tun muss, dafür muss man nicht unbedingt ein brennender Verfechter der politischen Ideale sein.
Also viele Dinge die in den westlichen Medien missverstanden werden können, weshalb ich diesen Aussagen auch gar nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken möchte.
Grundsätzlich ist es schwierig in China einen Trend auszumachen, wenn das zu beurteilende Gebiet auch nur entfernt mit Politik zu tun haben könnte.
Auch oder gerade in der Literatur tut man sich bei diesem Thema in China besonders schwer.
Möchte man ein wenig am Puls der Zeit fühlen, muss man schon in Genres wie der Science Fiction gucken und ein wenig zwischen den Zeilen lesen.
Hier sind einige Dinge möglich, die man in anderen Genres so nicht schreiben könnte.
Ich habe mich zum Beispiel immer gefragt wie es sein kann, dass gerade ein Buch wie 1984 von George Orwell in wirklich jedem Buchladen Bejings zum Verkauf angeboten wird.
In westlichen Ländern wird sofort jede Neuerung wie die Google Brille oder die Standorterfassung diverser Mobiltelefon Apps oder auch politische Maßnahmen wie die Ausgangsbeschränkungen zur Corona Abwehr in Verbindung mit diesem Buch gebracht und vor einem Überwachungsstaat gewarnt. Gerechtfertigt oder auch nicht.
Das passiert in China so nicht, dieses Buch ist lediglich ein Klassiker.
Aber wir alle wissen, dass sein Inhalt sehr wohl ein Spiegel unserer Zeit ist und vertun Sie sich nicht: Chinesen wissen das auch.
Auch die jüngeren Generationen.
Und da schliesst sich auch schon wieder unser Kreis, denn heute möchte ich über eine junge Autorin schreiben:
郝景芳 (Hăo Jǐngfāng), die mit ihrer Erzählung 北京折叠 (běi jīng zhé dié), übersetzt „Peking falten“, 2016 den Hugo Award erhalten hat.
Sie ist 1984 geboren, hat bereits 2002 in ihrer High School ihren ersten Literaturpreis gewonnen, Physik studiert und einen Ph.D in Wirtschaftswissenschaften gemacht.
Eigentlich nicht der typische Werdegang eines Autors, was das ganze noch erfrischender macht.
Einziges Manko an dieser (im deutschen) knapp 80 Seiten langen Erzählung:
Sie ist viel zu kurz. Das ist eigentlich Stoff für einen Roman.
Und genau so liest sich dann auch die Erzählung wie das erste Kapitel eines solchen.
Ich fürchte dass sich die Autorin nicht dazu hinreissen lässt an dieser vielversprechenden Geschichte weiter zu schreiben, aber eine schöne Idee wäre es schon.
Für mich vor allen Dingen sehr interesant sind viele Kleinigkeiten, die spitzfindig herausgestellt wurden.
Somit ist der Protagonist in der Geschichte, obwohl er aus ärmlichen Verhältnissen kommt und auf einmal mit dem Leben der Bessergestellten konfrontiert und gewahr wird dass viele Dinge so gar nicht fair laufen, überhaupt nicht neidisch oder missgönnt irgendjemandem etwas.
Das schafft eine sehr seltsame Atmosphäre, die man in der Geschichte zwar wahrnimmt, die aber noch einmal eine andere Bedeutung bekommt, wenn man einmal in Asien gelebt hat und es anders interpretieren kann.
Und in diesem Fall, denke ich, ist es auch ein kluger Schachzug um der Geschichte selber weniger Angriffsfläche für eventuelle Zensur zu bieten.
In dieser Erzählung möchte niemand nobel sterben und das Zitat von Wilhelm Stekel am Anfang dieses Artikels würde hier viel besser hineinpassen als in dem Roman von J.D. Salinger.
Womit wir auch wieder bei den einführenden Worten wären.
Fassen wir also zusammen: Absolut lesenswert und inzwischen auch kein Geheimtipp mehr.
Nur zu kurz das ganze.
Ein Zitat von Wilhelm Stekel, einem österreichischen Arzt und Psychoanalytiker, das auch in dem Roman „Catcher in the Rye“ von J.D. Salinger aufgegriffen wird.
Eigentlich der einizige Lichtblick in einem sonst überaus langweiligen Buch. Eine Geschichte die so nichtssagend ist, dass sie nur noch von Fontanes Effie Briest an Reizlosigkeit überboten werden kann.
Aber kommen wir zurück zum Thema: Die Jugend.
Auf der einen Seite ist es schön in Erinnerungen zu schwelgen und ihr ein wenig melancholisch nachzutrauern, auf der anderen ist es aber mindestens genau so gut, dass sie vorbei ist, schliesslich war sie bloss Vorbereitung auf das richtige Leben.
Und was macht Chinas Jugend so, mal abgesehen von studieren und mit Freunden zum Karaoke zu gehen?
Man hört, dass es eine gewisse Politikverdrossenheit unter den nachfolgenden Generationen gibt.
Das sind allerdings wieder Meldungen aus der westlichen Presse.
Dazu muss man sagen dass grundsätzlich weltweit viele Jugendliche noch kein grosses Interesse an Politik zeigen (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel), dass man in China nicht gerne offen über Politik redet und hier auch generell viele Dinge die Politik betreffen bloss Lippenbekenntnisse sind.
Bei den meisten Dozenten und Professoren an Chinas Universitäten und in vielen anderen Berufsebenen auch, ist es von Vorteil Mitglied der Partei zu sein.
Vielerorts wird man als Chinese auch ganz unverhohlen gefragt ob man nicht beitreten möchte (der bekannte Wink mit dem Zaunpfahl).
Man tut also was man tun muss, dafür muss man nicht unbedingt ein brennender Verfechter der politischen Ideale sein.
Also viele Dinge die in den westlichen Medien missverstanden werden können, weshalb ich diesen Aussagen auch gar nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken möchte.
Grundsätzlich ist es schwierig in China einen Trend auszumachen, wenn das zu beurteilende Gebiet auch nur entfernt mit Politik zu tun haben könnte.
Auch oder gerade in der Literatur tut man sich bei diesem Thema in China besonders schwer.
Möchte man ein wenig am Puls der Zeit fühlen, muss man schon in Genres wie der Science Fiction gucken und ein wenig zwischen den Zeilen lesen.
Hier sind einige Dinge möglich, die man in anderen Genres so nicht schreiben könnte.
Ich habe mich zum Beispiel immer gefragt wie es sein kann, dass gerade ein Buch wie 1984 von George Orwell in wirklich jedem Buchladen Bejings zum Verkauf angeboten wird.
In westlichen Ländern wird sofort jede Neuerung wie die Google Brille oder die Standorterfassung diverser Mobiltelefon Apps oder auch politische Maßnahmen wie die Ausgangsbeschränkungen zur Corona Abwehr in Verbindung mit diesem Buch gebracht und vor einem Überwachungsstaat gewarnt. Gerechtfertigt oder auch nicht.
Das passiert in China so nicht, dieses Buch ist lediglich ein Klassiker.
Aber wir alle wissen, dass sein Inhalt sehr wohl ein Spiegel unserer Zeit ist und vertun Sie sich nicht: Chinesen wissen das auch.
Auch die jüngeren Generationen.
Und da schliesst sich auch schon wieder unser Kreis, denn heute möchte ich über eine junge Autorin schreiben:
郝景芳 (Hăo Jǐngfāng), die mit ihrer Erzählung 北京折叠 (běi jīng zhé dié), übersetzt „Peking falten“, 2016 den Hugo Award erhalten hat.
Sie ist 1984 geboren, hat bereits 2002 in ihrer High School ihren ersten Literaturpreis gewonnen, Physik studiert und einen Ph.D in Wirtschaftswissenschaften gemacht.
Eigentlich nicht der typische Werdegang eines Autors, was das ganze noch erfrischender macht.
Einziges Manko an dieser (im deutschen) knapp 80 Seiten langen Erzählung:
Sie ist viel zu kurz. Das ist eigentlich Stoff für einen Roman.
Und genau so liest sich dann auch die Erzählung wie das erste Kapitel eines solchen.
Ich fürchte dass sich die Autorin nicht dazu hinreissen lässt an dieser vielversprechenden Geschichte weiter zu schreiben, aber eine schöne Idee wäre es schon.
Für mich vor allen Dingen sehr interesant sind viele Kleinigkeiten, die spitzfindig herausgestellt wurden.
Somit ist der Protagonist in der Geschichte, obwohl er aus ärmlichen Verhältnissen kommt und auf einmal mit dem Leben der Bessergestellten konfrontiert und gewahr wird dass viele Dinge so gar nicht fair laufen, überhaupt nicht neidisch oder missgönnt irgendjemandem etwas.
Das schafft eine sehr seltsame Atmosphäre, die man in der Geschichte zwar wahrnimmt, die aber noch einmal eine andere Bedeutung bekommt, wenn man einmal in Asien gelebt hat und es anders interpretieren kann.
Und in diesem Fall, denke ich, ist es auch ein kluger Schachzug um der Geschichte selber weniger Angriffsfläche für eventuelle Zensur zu bieten.
In dieser Erzählung möchte niemand nobel sterben und das Zitat von Wilhelm Stekel am Anfang dieses Artikels würde hier viel besser hineinpassen als in dem Roman von J.D. Salinger.
Womit wir auch wieder bei den einführenden Worten wären.
Fassen wir also zusammen: Absolut lesenswert und inzwischen auch kein Geheimtipp mehr.
Nur zu kurz das ganze.
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