Lass es ein Mobiltelefon gewesen sein
Es ist wieder kalt geworden. -8 Grad und teilweise Sturmböen, die enen aus den Schuhen ziehen wollen.
Ganze 64 Seiten fasst er, heisst übersetzt „Leitfaden für den wohlerzogenen Touristen“ und beschreibt, was man in fremden Ländern auf gar keinen Fall tun sollte.
Anlass für derartige Aktionen gibt es viele, der eigentliche Auslöser war wohl ein chinesischer Tourist, der sich mit einem eingeritzten Graffiti in den alten Steinblöcken der Cheops-Pyramide bei den Ägyptischen Behörden äusserst unbeliebt gemacht hat.
Und somit wurde bereits zum zweiten Mal ein Leitfaden herausgegeben, der dann auch tatsächlich (mehr oder weniger) bindend ist. Denn es ist durchaus erwünscht, dass touristisches Fehlverhalten von Chinesen im Ausland gemeldet wird und geahndet werden kann. Ganz im Sinne des durchaus fragwürdigen Ausspruchs „Melden macht frei“, der bereits zu Wehrpflichtzeiten bei der deutschen Bundeswehr kursierte. Es gibt auch eine passende Preisliste dazu.
Nicht in der Nase bohren oder mit den Fingern zwischen den Zähnen pulen, keine Fussabdrücke auf Klobrillen hinterlassen, nicht mit dem Finger nach dem Kellner schnipsen, nicht ins Schwimmbecken pinkeln und nicht die Schwimmweste aus dem Flieger mitnehmen. Die Liste ist lang.
Aber sind wir einmal ehrlich: Leute, die diese Art von Anweisungen brauchen gibt es doch überall. Als ganz extremes Beispiel erinnere ich bloss an deutsche Reisegruppen auf dem Weg nach Mallorca. Bereits im Flughafen, wenn man sie am gegenüberliegenden Gate sieht und vor allen Dingen hört, wünscht man sich, die Sicherheitskontrollen am Flughafen würden das Mitbringen von Handfeuerwaffen gestatten.
Und wie verhalten sich einige westliche Touristen in Thailand oder den Philippinen ? Nur weil man auf Grund des Wechselkurses vergleichsweise viel Geld zur Verfügung hat, muss man sich nicht gleich aufführen wie ein notgeiler Aristokrat auf dem Sklavenmarkt.
Dass ausgerechnet Chinesen kein gutes Benehmen haben, halte ich für ein immer wieder heraufbeschworenes Vorurteil.
Es gibt natürlich immer wieder diese Situationen, wenn die Frau im Nachbarsitz des Fliegers sich auf dem ausklappbaren Tischchen die Zehennägel schneidet oder ähnliches.
Und gefühlt mag es auch so erscheinen, dass es immer wieder Chinesen sind, die sich daneben benehmen, aber betrachten wir auch einmal die Umstände:
Erstens gibt es viele Verhaltensweisen, die lokal unterschiedlich sind. Und mal ganz ehrlich: Ob jemand beim essen der Suppe schlürft oder nicht ist jetzt, wie ich finde, kein wirkliches Problem.
Zweitens gibt es natürlich seit kurzer Zeit unglaublich viele Chinesen die ins Ausland reisen. Da kommen dann direkt zwei Dinge zusammen:
Der Umstand dass es viele Menschen sind bedeutet natürlich auch, dass entsprechend mehr Leute mit schlechten Manieren oder Angewohnheiten darunter sind, was dann den Eindruck erweckt der prozentuale Anteil wäre wesentlich höher, als er tatsächlich ist.
Und der Umstand, dass Chinesen meist gezwungen sind in Reisegruppen zu reisen. Sie wissen selbst, wie das in einer Reisegruppe ist: Man nimmt die Heimat quasi mit auf Reisen (womit wir noch einmal auf die Mallorca Reisegruppe verweisen, die noch immer auf den Flieger wartet und lautstark Ballermann-Lieder grölt).
Deutsche reservieren sich zum Beispiel durch ein Handtuch auf der Liege am Pool bereits vor dem Frühstück die besten Plätze, was dem Ansehen der Deutschen in anderen Ländern ebenfalls einen negativen Trend verpasst.
Es gibt natürlich auch einen chinesischen Trend, den wir im Artikel Wenn der Bauer mal muss angesprochen hatten: Die fehlenden Manieren auf Grund der Auswirkungen der Ein-Kind-Politik, allerdings ist es auffällig, dass es gar nicht diese Generation ist, die sich im Ausland daneben benimmt, da sie bereits in Schule und Studium mit anderen Sprachen und Kulturen in Berührung gekommen sind (wenn sie wollen, können sie und wissen auch wie sie sich zu benehmen haben).
Man erzählt sich immer wieder, dass der Grossteil der Chinesen ungeniert in der Öffentlichkeit rülpst und furzt, aber wenn man genau hinschaut, sind es bloss ein paar wenige. Meist sind sie vom Land in die Stadt gefahren um jemanden zu besuchen, ins Krankenhaus zu gehen, Dinge zu kaufen, verkaufen oder einfach eine Sightseeingtour zu machen.
Auch wenn es so erscheint, als wären es unglaublich viele Leute die sich so benehmen, ist es auf die Menge gesehen eben doch bloss die Ausnahme.
Und sind wir ehrlich: diese Leute, die zum Beispiel in der Öffentlichkeit einen fahren lassen, gibt es überall, auch bei uns.
Vielleicht kennen Sie diese Situation, wenn man im Gedränge in der U-Bahn steht, wenn man den Rucksack des Vordermanns in den Rippen und den schwitzenden Körper des Hintermanns eng am eigenen Körper spürt.
Dann plötzlich vibriert es irgendwo kurz und man denkt sich: „Lieber Gott, lass es ein Mobiltelefon gewesen sein“.
Das und ähnliches gibt es definitiv auch bei uns.
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