Mach mir den Tony
Nachts in Beijings Vororten.
Somit gehört Haarewaschen bei vielen Jungen nicht gerade zu den beliebtesten Aktionen.
Weiss der Himmel warum, versucht auch unser Sprössling sich mit allen Tricks von dieser ständigen Pflicht zu befreien und so kann man ihn jedes Mal vor dem Baden hören wie er einmal auf Chinesisch “今天不惜头” (jīn tiān bù xǐ tóu) und einmal auf Deutsch “Heute nicht Haarewaschen” fordert, um auch sicher zu gehen dass wir beide es gehört und verstanden haben.
Haare schneiden ist noch ein sehr viel heikleres Thema. Der Sohnemann lässt es zwar über sich ergehen, aber nachdem er eine Minute und 15 Sekunden still gehalten hat, kann man ihn kaum noch unter Kontrolle halten.
Er windet sich hin und her und versucht alle Haarschneidemanöver zu boykottieren.
Entsprechend sieht manchmal auch seine Frisur aus, aber schief ist ja bekanntlich modern.
Aber auch ich selber sah vor Kurzem noch ein wenig wild aus, denn seit dem Corona Ausbruch bis letzte Woche war ich nicht mehr beim Friseur.
Ein Umstand, der auch der Verwandtschaft in China aufgefallen ist beim regelmäßigen hin- und herschicken von Fotos und Videos im Familien-Chat.
So bekam also meine Frau auf chinesisch den gut gemeinten Rat mir den Tony zu machen.
„Mach ihm doch den Tony“ bzw. im Original „给他做个Tony“ (gěi tā zuò gè Tony). Ein Ausspruch den ich nicht kannte und der mich erst einmal hat zweifeln lassen ob der Familien Chat der richtige Ort sei um solche Vorschläge zu posten.
Aber nachdem ich aufgeklärt worden bin ist alles ganz unverfänglich.
Chinesen die in ausländischen Firmen arbeiten oder so ganz einfach ein wenig cool daher kommen wollen, geben sich englische Namen.
Teilweise auch recht skurrile. Das hatten wir ja alles schon im Artikel Sag mir Deinen wahren Namen behandelt.
Und der Name Tony scheint wohl unter Friseuren sehr beliebt zu sein. Warum auch immer...
Das wusste ich auch noch nicht, sonst hätte ich es im Artikel Haarscharf bestimmt erwähnt.
So beliebt auf jeden Fall, dass er es in eine umgangssprachliche Phrase geschafft hat.
„Mach ihm doch den Tony“ bedeutet also so viel wie „Sei Du doch sein Friseuer“ und ist eine Aufforderung anstatt zum Friseur zu gehen die Haare selbst zu schneiden.
Das ist bereits des Rätsels Lösung.
Ich habe mich dann aber doch letzte Woche dazu entschieden wieder zum Friseur zu gehen.
Schliesslich muss ich mich ja hin und wieder auf der Arbeit sehen lassen und kann nicht ausschliesslich Home-Office machen.
Was nicht implizieren soll dass ich meiner Frau nicht zutraue meine Haare schneiden zu können. Aber ich denke der Friseur kann es doch ein wenig besser.
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