Bitte nicht zu weit aus dem Fenster lehnen
Professionelle Fensterputzer im Innenstadtbereich
Eigentlich sind es immer die alltäglichen Kleinigkeiten die die Unterschiede ausmachen, denn grundsätzlich streben Menschen ja alle nach den gleichen Dingen. Die Famile muss versorgt werden, die Kinder eine gute Ausbildung bekommen, es muss immer genug zu Essen auf dem Tisch sein und darüber hinaus soll das Leben natürlich auch nicht langweilig werden.
Aber die Herangehensweisen wie gewisse Dinge gehandhabt werden unterscheiden sich dann eben doch teilweise sehr voneinander.
Aber was erzähle ich Ihnen? Als geneigter Leser dieses Blogs wissen Sie das natürlich alles.
Ich habe seit einiger Zeit keinen Artikel mehr veröffentlicht, was nicht zwangsläufig daran liegt dass mir die Geschichten ausgehen seitdem ich wieder in Deutschland lebe (obwohl das tatsächlich die kleine Angst ist, die durch meinen Kopf geistert) sondern vielmehr dass ich einfach keine Zeit hatte mich hinzusetzen und etwas zu schreiben.
Ich fürchte dass das auch in der nahen Zukunft so sein wird. Es werden also nicht mehr Artikel in kurzen Abständen wie zur Anfangszeit erscheinen, sondern im Gegenteil die Wartezeiten zwischen ihnen zwangsläufig recht groß bleiben.
Wie auch immer, heute ist es wieder einmal an der Zeit eine kleine Anekdote aus dem Reich der Mitte mit Ihnen zu teilen:
Es geht um das Fensterputzen. Eine Beschäftigung die ich gewohnt war selber zu erledigen und die ich, so lange es ging immer vor mir hergeschoben habe bis die Fenster so dreckig waren das es keine Möglichkeit mehr gab darüber hinweg bzw. durch sie hindurch zu sehen.
In China wohnt man in den grossen Städten fast ausschliesslich in Hochhäusern und diese haben teils recht skurrile bauliche Eigenarten.
So kann man nicht immer alle Fenster öffnen und benötigt schon Spezialwerkzeug um an alle Scheiben von außen heranzukommen.
Wenn man einen Erker im Wohnzimmer hat, der rundum mit Fenstern ausgestattet ist, kommt man auch damit nicht viel weiter.
Um die Fenster “um die Ecke” zu putzen muss man zwangsläufig irgendwie nach draussen und um den Erker herum klettern.
Man bestellt also einen Fensterputzer, was ohnehin nichts besonders darstellt, da man Dienstleistungen jeglicher Art in China wesentlich billiger bekommt als in Deutschland und die Menschen diese auch wesentlich häufiger in Anspruch nehmen als bei uns.
Ich weiß gar nicht mehr in welchem Stockwerk wir wohnten als wir das erste mal einen Fensterputzer bestellt haben, aber es war definitiv 10 oder höher.
Ich bin also davon ausgegangen dass ein paar junge Männer vorbeikommen, die sich mit ihrem Sicherheitsgeschirr am Fenster festmachen. Einer drinnen zur Sicherung, einer aussen, so wie man sich das eben als typischer Europäer vorstellt, oder man es schon zigfach an den Bürogebäuden im Innenstadtbereich gesehen hat.
Was dann kam war alles andere als das: Eine Frau, ich schätze sie so Mitte 50, die lediglich mit einem Eimer, Putzmittel und ein paar Tüchern bewaffnet aus dem Fenster geklettert ist und sich krampfhaft an den kleinen vorstehenden Kanten der Fensterrahmen mit einer Hand in der kalten Herbstluft festgehalten hat, während sie frei schwebend über den Anwohnerparkplätzen mit der anderen die Scheiben gewischt hat.
Mir ist beim bloßen Zugucken der Angstschweiß auf die Stirn getreten.
Es ist ja kein Geheimnis daß es viele Menschen in China gibt, aber das ist doch noch kein Grund den Tod dermaßen herauszufordern.
Aber das was bei uns sämtliche Gewerkschaften, Arbeitsrechtler und andere auf die Barrikaden bringen würde ist in China ganz normal.
Definitiv nichts für zartbesaitete Menschen. Und auch ich musste mir auf die Lippe beißen und habe mir immer wieder gedacht: “Bitte nicht zu weit aus dem Fenster lehnen”.
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