Beckmesser, ich weiss wie Du Dich fühlst
Das Nationale Zentrum für Darstellende Künste (国家大剧院 guó jiā dà jù yuàn) im englischen National Centre for the Performing Arts (NCPA) beherbergt nicht nur Opern- und Theaterbühnen.
Normalerweise wäre ich nicht auf die Idee gekommen, ausgerechnet in China eine deutsche Oper zu besuchen, aber glückliche Umstände haben es uns ermöglicht Karten zu bekommen. Ein ehemaliger Schulkamerad ist einer der Sänger und hat uns eingeladen.
An dieser Stelle noch einmal vielen Dank, es war eine überwältigende Vorstellung und wir haben es sehr genossen.
Das bringt mich auch direkt zu meinem heutigen Artikel:
In der Aufführung geht es unter anderem um ein Lied, das nach bestimmten Regeln der Kunst erdacht, ein wahres Meisterwerk ist.
Der Text in den falschen Händen aber, nicht recht interpretiert und zu einer falschen Melodie gesungen, lässt es zu einem schrägen Stück werden, mit dem man einzig den Hohn der Zuhörer auf sich zieht.
In der Oper versucht sich Sixtus Beckmesser an dem Lied, das Walther von Stolzing zusammen mit Hans Sachs komponiert hat und scheitert.
Das erinnert mich doch irgendwie wieder an meine Erfahrungen im interkulturellen Umfeld.
Wie oft habe ich schon versucht einen deutschen Gedanken, zum Beispiel etwas Witziges, in ein chinesisches Gewand zu stecken.
So etwas ist aber leider immer zum scheitern verurteilt. Es funktioniert einfach nicht.
Genau wie bei dem Meisterlied aus der Oper, so erntet man auch hier bloss Unverständnis und eventuell sogar Lacher. Aber eben nicht, weil der Witz gut ankommt, sondern weil im Gegenteil die beiden miteinander verbundenen Konstrukte nicht zusammenpassen wollen.
Wer etwas auf chinesisch sagen möchte, der sollte es auch in chinesisch denken, bevor er es ausspricht. Das trifft übrigens auf jede Sprache zu.
Wenn man einfach etwas versucht zu übersetzen, geht dies bis zu einem gewissen Grad noch gut, ab einem bestimmten Sprachlevel aber funktioniert es nicht mehr.
Wer sich also unterhalten möchte, sollte lernen in der entsprechenden Sprache zu denken, völlig losgelöst von seiner Muttersprache.
Das hat zwar den Nachteil, dass man oft wie ein Idiot dasteht, wenn man das eben besprochene mal schnell ins Deutsche übersetzen soll und man erst einmal die passenden Wörter suchen muss (geht mir immer wieder so), aber für eine flüssige Unterhaltung in einer anderen Sprache ist es tatsächlich unerlässlich.
Und noch ein weiteres Beispiel gibt es, das das Bild des Meisterliedes widerspiegelt: Die falsche Melodie macht das Gesagte auch zunichte.
Ein kleines Beispiel, ebenfalls aus jüngster Zeit zeigt genau das: Meine Frau und ich haben uns mit einem Freund getroffen.
Während der Unterhaltung kam das Gespräch auf eine Restaurantkette, die bekannt ist für ihre Peking Enten Restaurants.
Mir sagte der Name gar nichts, aber das will nichts heissen. Es gibt so viele Marken Restaurants und Ketten, die kann man sich unmöglich alle merken.
Der interessante Teil war, dass meine Frau anfangs mit dem Namen nichts anfangen konnte.
Nach einer kurzen Recherche über das Handy, wusste sie dann aber doch bescheid. 大董 (dà dǒng) ist eine vor ein paar Jahren immer beliebter gewordene Restaurant Kette.
Das Problem war einzig, dass unser Freund es „dà dòng“ ausgesprochen hatte.
Was für den gemeinen Europäer überhaupt keinen Unterschied macht, sind im Ohr eines Chinesen allerdings zwei völlig unterschiedliche Dinge.
Sie sehen, auch hier macht die Melodie das Lied. Zur Entlastung meines Freundes muss ich hier aber anmerken, dass mir genau dieses Phänomen auch immer wieder begegnet.
Man weiss nicht genau, wie man dies oder das ausspricht und schon steht man da wie der letzte Depp. Man wiederholt die Silben in allen möglichen Betonungen, nur um in immer ausdruckslosere Gesichter zu schauen, bis endlich jemand sagt: „ach, Du meinst...“ gefolgt von eben jenen Silben in einer anderen Betonung.
Das ist eine Eigenart der chinesischen Sprache, die schon viele Ausländer zur Verzweiflung gebracht hat.
Man geht natürlich wieder von seinem eigenen Standpunkt aus und meint, dass Chinesen auch „Da Dong“ als „Da Dong“ sehen, aber das ist falsch.
Für Chinesen ist „Da Dong“ lediglich eine Übersetzung in arabische Schriftzeichen. Es hat nicht direkt etwas mit dem Namen zu tun.
Für sie sieht „Da Dong“ so aus: 大董. Und dieses Wort hat eine bestimmte Betonung, in der es ausgesprochen wird.
Ist die Betonung anders, handelt es sich auch um ein anderes Schriftzeichen, völlig egal, ob die arabischen Schriftzeichen die gleichen sind, oder nicht.
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