Hippokrates und Charybdis
Die meisten Krankenhäuser in Beijing sind an die Capital Medical University (首都医科大学 shǒu dū yī kē dà xué) angeschlossen.
Bis jetzt habe ich noch nicht viele Krankheitstage nehmen müssen, was zu einem grossen Teil auch daran liegt, dass ich jetzt zu Hause bei der Familie esse und eigentlich gar nicht mehr zu den Strassenständen gehe. Somit kann man Durchfallerkrankungen meist vermeiden.
Der Umstand, dass ich bereits seit 2015 in China lebe und noch keine Krankenkarte für ein chinesisches Krankenhaus (erkläre ich später, was das ist) habe, zeigt es schon an.
Einzig eine Hand voll Tage wegen Erkältung oder Durchfall habe ich genommen, das war’s schon. Bis jetzt ohne ein Krankenhaus zu besuchen und einen Arzt aufzusuchen.
Denn private Ärzte mit einer eigenen Praxis gibt es in China so nicht. Wird man krank, muss man ins Krankenhaus.
Aber es ist natürlich richtig, wenn man krank ist, sollte man dem Arbeitgeber ein Attest vorlegen.
Diese Woche hat es mich erwischt und diesmal habe ich dann auch alles nach Vorschrift entsprechend erledigt.
Sollten Sie in China krank werden, insbesondere in einer der Großstädte, stellt sich erst einmal die Frage: Wo ist das nächste Krankenhaus und wie komme ich dorthin ?
Selbst in extremen Fällen, kann es sein, dass der Notarzt keine gute Alternative ist, da die Strassen zu gewissen Zeiten einfach verstopft sind.
Blaulicht hin oder her, wenn kein Platz zum ausweichen ist, dann steckt auch der Krankenwagen im Stau fest.
Krankenhäuser sind, wie in Deutschland auch, meist auf bestimmte Dinge spezialisiert. Ein Umstand, der in den meisten Fällen irrelevant ist, bei schlimmeren Beschwerden aber eventuell doch berücksichtigt werden sollte.
Und dann gibt es noch verschiedene Zusammenschlüsse von Krankenhäusern. Wenn man eine Karte in einem Krankenhaus von Zusammenschluss A macht, kann man sie natürlich nicht in einem Krankenhaus von Zusammenschluss B verwenden.
Krankenhäuser in China sind in der Regel an Universitäten angeschlossen. Es gibt die Peking University Mediacal School (北京大学医学院 běi jīng dà xué yī xué yuàn), die Chinese Academy of Medical Sciences and Union Medical College (医学医科院 yī xué yī kē yuàn), die Capital Medical University (首都医科大学 shǒu dū yī kē dà xué) und einige Militärkrankenhäuser.
Dann gibt es noch etliche private Krankenhäuser, zu denen auch die internationalen Krankenhäuser gehören, in denen man sich von Englisch sprechenden Ärzten versorgen lassen kann.
Der Grossteil der Krankenhäuser in Beijing ist an die Capital Medical University (首都医科大学 shǒu dū yī kē dà xué) angeschlossen. Wenn man hier eine Karte machen lässt, ist man eigentlich auf der sicheren Seite, da deren Krankenhäuser überall in der Stadt verteilt sind, man muss in der Regel also nicht so weit fahren. (Dazu muss man natürlich wissen, wer zu wem gehört).
So, was hat es nun eigentlich mit dieser ominösen Karte auf sich ? Es handelt sich um eine Krankenkarte, mit der man sich behandeln lassen kann. Ohne geht es nicht.
Und man lädt im Vorfeld Geld darauf, das bei den Behandlungen dann abgebucht wird (Damit die Krankenkasse in Deutschland die Kosten später übernimmt, muss man erst einmal in Vorkasse treten und die Belege später einreichen).
Nachdem man also teilweise Stunden im Stau verbracht hat, um endlich das rettende Krankenhaus zu erreichen, muss man sich eine dieser Karten anlegen lassen.
Dazu braucht man seinen Ausweis und etliche Informationen, die man an unterschiedlichen Stellen in unzähligen Formularen angeben muss. Lassen Sie es mich so ausdrücken:
Sollten Sie nicht mit einer Chinesin verheiratet sein, die Sie zum Krankenhaus begleiten kann und den Papierkram für Sie übernimmt, müssen Sie leider sterben.
Bedenkt man, dass nicht nur zig Millionen Menschen in Beijing leben, die medizinische Versorgung benötigen, sondern auch noch dass die mit Abstand besten Krankenhäuser hier zu finden sind, die Patienten aus ganz China anlocken und malt man sich dann noch aus, dass all diese Leute in einer kaufhausgrossen Lobby an unzähligen Schaltern und Automaten stehen und Papiere hin und her tragen, dann ist die Aussage von eben erschreckender Weise ziemlich nah an der Wahrheit.
Es gibt Schalter, so weit das Auge reicht und selbst Einheimische müssen sich immer wieder an den Schlangen vorbeidrängeln, um die Krankenschwester hinter dem Plastikfenster zu fragen, ob dies der richtige Schalter für dies oder das ist.
Als Ausländer ist man hier völlig aufgeschmissen. Erst einmal weiss man nicht, wohin.
Man wird auch nicht von irgendjemanden in die richtige Richtung gelotst. Oft wissen die Angestellten an der Information selber nicht, wo der richtige Schalter ist. „Gehen Sie mal dort hin“ heisst es dann immer.
Man weiss auch gar nicht, was man alles benötigt, man kann natürlich auch nicht alles am selben Schalter erledigen und natürlich sprechen alle nur Chinesisch und auch die Unterlagen sind auf Chinesisch (spätestens da muss ich dann auch passen).
Deshalb gehen die meisten Ausländer in eines der internationalen Krankenhäuser.
Von denen gibt es allerdings nicht so viele und sie sind auch nicht immer in der Nähe. Selbst wenn man einmal von den wesentlich höheren Preisen und den zusätzlich anfallenden Bestechungsgeldern absieht, die man bezahlen muss um überhaupt angenommen zu werden, macht in einem ernsten Fall bereits der Umstand, dass der Weg zum Krankenhaus länger ist und die internationalen Krankenhäuser auch oft ziemlich überlaufen sind, sie zu keiner wirklich besseren Alternative.
Man hat also die Wahl zwischen Skylla und Charybdis.
Aber bleiben wir einmal bei den chinesischen Krankenhäusern: Hat man dann endlich seine Karte bekommen, kann man auf das entsprechende Stockwerk wechseln, wo sich die für einen zuständigen Fachleute befinden und ein Krankenheft kaufen.
In dieses Heft schreibt der Arzt später die Befunde und heftet all die Zettel an, die man von überall her bekommt.
Aber so weit sind wir ja noch gar nicht. Erst einmal zieht man sich eine Nummer im Warteraum, in dem man natürlich in der Regel nicht warten kann, da alle Plätze bereits besetzt sind.
Man geht also in den Korridor, wo man wartet, bis ein Platz im Wartesaal leer wird. Und so lange man noch keinen Sitzplatz im Korridor findet, steht man hier eben („Im Wartesaal ist kein Platz mehr frei, also wart’ ich“).
Wir hatten dieses Mal Glück, es war nicht ganz so überfüllt wie normalerweise, worüber ich über die Maßen froh bin.
Nachdem man teilweise den halben oder ganzen Tag mit warten verbracht hat, geht im Behandlungszimmer dann alles ganz schnell.
Symtome, Blutdruck messen, Zunge raus, Bauch fühlen, Diagnose, Attest, „machen Sie bitte auf Stockwerk 2 noch einen Termin für einen speziellen Checkup. Auf wiedersehen“. Alles in nicht mal 5 Minuten.
Klar, bei den Menschenmassen ist die Zeit pro Patient natürlich begrenzt. Meine Frau sagte schon bei der Geburt unseres Sohnes: „in chinesischen Krankenhäusern kommt man sich nicht selten vor wie Vieh im Schlachthaus“.
Aber dann darf man endlich nach Hause, wo man sich dem „Widergesundwerden“ widmen kann.
Im Nachgang muss man natürlich, weil in Deutschland niemand etwas mit einem chinesischen Attest anfangen kann, noch zwei halbe Tage einplanen um das Schriftstück zu einem Übersetzungsbüro zu bringen, übersetzen zu lassen und wieder abzuholen.
Denn offizielle Übersetzungsbüros gibt es nicht überall in der Stadt.
Sie sehen schon: Sollten Sie einfach nur eine Erkältung haben, die mit 2, 3 Tagen Bettruhe völlig problemlos zu kurieren wäre, benötigen Sie in China berets einen zusätzlichen Tag für die Krankmeldung, und noch einen weiteren für die Übersetzung.
Aber da die Deutschen, eben so wie die Chinesen für ihre Bürokratie bekannt sind, geht es leider nicht anders.
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