Gesichtsverlust
Die Vernichtung der Hutongs (胡同 hú tòng = altes Stadtviertel in Beijing), oder wie es von offizieller Seite genannt wird: 治理开墙打洞 zhì lǐ kāi qiáng dǎ dòng (Was so viel bedeutet wie „Sanierung der offenen Mauer“) soll heute unser Thema sein.
Wie es zu diesem drastischen Programm der Machthabenden in China gekommen ist, ist mir nicht ganz klar, aber Hintergrund ist die Tatsache, dass in Beijing so ziemlich überall Leute Geschäfte aufmachen möchten.
Und wenn es dort keine Geschäftsräume gibt, oder diese einfach unerschwinglich sind, wird die Erdgeschosswohnung kurzerhand zum Laden umfunktioniert.
Das Fenster kommt raus, dafür eine Tür hinein und schon hat man einen kleinen Laden.
Oft werden auch ganze Zimmer angebaut oder Etagen aufgestockt, alles illegal versteht sich.
Der Spruch 治理开墙打洞 zhì lǐ kāi qiáng dǎ dòng (Sanierung der offenen Mauer) beschreibt den Umstand, dass viele Geschäfte, um einen Zugang zur Strasse zu haben, Mauern und Wände aufgestemmt haben, die eigentlich fremde Leute davon abhalten sollen, in ein bestimmtes Areal zu gelangen (Beijing ist eine Aneinanderreihung von Communities, also eingezäunten Wohnvierteln.).
Diese kleinen Läden und Restaurants prägen vielerorts das Stadtbild Beijings. Gerade in den alten Stadtvierteln, den Hutongs (胡同 hú tòng) verwandeln sie die eintönigen, grauen Gassen in ein Labyrinth aus kleinen Lichtern, Pflanzen und jeder Menge Menschen die sich hier treffen und Spass haben.
Die Alten sitzen auf der Strasse beim chinesischen Schach oder Kartenspiel zusammen und schauen sich das bunte Treiben an, während die jüngeren Generationen durch die privaten Modeateliers der Nachwuchskünstler schlendern oder sich beim Kaffee im Hinterhof-cafe treffen.
Dass die alten Stadtviertel nach und nach verschwinden ist ja nichts Neues mehr, allerdings setzt die neue Sanierungswelle wieder neue Massstäbe in Sachen Intensität und Geschwindigkeit.
Die Obrigkeit lässt keinen Zweifel an der Dringlichkeit ihres Vorhabens.
Ich habe bereits Strassenzüge in den Hutongs (胡同 hú tòng) gesehen, in denen mehr als doppelt so viele Sicherheitskräfte wie eigentliche Bauarbeiter zu den Abrissarbeiten bestellt wurden, um sicherzustellen dass auch alles nach Plan läuft.
Es scheint, als könnte Beijing nicht schnell genug das loswerden, was es von allen anderen, gesichtslosen Millionenmetropolen Chinas unterscheidet, um sich endlich in die Liste der langweiligsten Städte der Welt einzuordnen.
Und so verliert Beijing nach und nach sein Gesicht (Diesmal nicht nur im chinesischen Sinne, sondern vor allen Dingen im westlichen).
Lassen Sie mich kurz erklären: Es gibt einige sehr schöne chinesische Städte in denen man sich auch wirklich wohlfühlen kann, aber der Grossteil sind reine Wohn- und Arbeitszentren.
Ich habe schon etliche chinesische Städte besichtigt und habe zwischen den meisten von ihnen keine Unterschiede erkennen können.
Selbst die Gebäude sind oft nur Blaupausen, die überall in China immer und immer wieder aus dem Boden gestampft werden.
Das liegt oft daran, dass viele der chinesischen Städte geplant und innerhalb kürzester Zeit gebaut wurden, sie sind nicht gewachsen.
Dagegen haben die Städte mit einer Geschichte oft mehr zu bieten, so wie Beijing oder Xi’an.
Aber was nutzt es, wenn im grossen Stile diese Eigenarten systematisch zerstört werden ?
Ich kann verstehen, dass die chinesische Regierung gegen illegale Bebauung vorgehen möchte, was allerdings passiert ist noch etwas anderes.
Die Viertel werden sozusagen Entkernt. Die Leute die hier leben verlieren ihr Geschäft, also ihre Existenzgrundlage und verkaufen die Wohnungen, da sie sie für einen hohen Preis loswerden können.
Sie ziehen dann in einen der Wohntürme (ich hatte im Artikel Wohnburgen darüber berichtet.)
(Über diese Leute, die aus den Hutongs (胡同 hú tòng) in ein Appartement und auch die Leute die vom Land in die Stadt gezogen sind könnte man wieder eine eigene Geschichte erzählen, aber das soll in einem anderen Artikel geschehen.)
Die Viertel werden dann von Investoren aufgekauft, komplett saniert und an extrem reiche Geschäftsleute weiterverkauft.
Es wird eine Mauer darum gezogen und kein „Normalsterblicher“ hat je wieder die Gelegenheit einen Blick ins Innere zu werfen.
Die sanierten Hutongs (胡同 hú tòng) südlich des Trommelturms sind ein typisches Beispiel hierfür.
Das neue Vorgehen von offizieller Seite richtet sich aber nicht nur gegen die alten Stadtviertel, auch andere, in den Augen der Machthabenden, verwahrloste Stadtviertel sind davon betroffen.
So wurden denn auch die ganzen kleinen Kioske und Minimärkte in den Erdgeschosswohnungen der Plattenbauten geschlossen, die sich auf dem Weg von meiner Wohnung zur U-Bahn befanden und ich muss einen riesigen Umweg laufen, wenn ich mir etwas zu trinken kaufen will.
Von offizieller Seite heisst es, dass die Strassenzüge dadurch gesäubert werden, die Architektur bewahrt und natürlich gegen illegale Geschäfte vorgegangen wird.
Allerdings hat das ganze sehr viel weitreichendere Auswirkungen. Gerade in den Hutongs (胡同 hú tòng) gibt es hierdurch eine Umverteilung des Grundbesitzes von der Mittelschicht zur Oberschicht.
Der Innenstadtbereich Beijings wird, wenn es so weiter geht, in Zukunft nicht mehr zu besichtigen sein, da es sich ausschliesslich um abgesperrte Communities handeln wird.
Wie es zu diesem drastischen Programm der Machthabenden in China gekommen ist, ist mir nicht ganz klar, aber Hintergrund ist die Tatsache, dass in Beijing so ziemlich überall Leute Geschäfte aufmachen möchten.
Und wenn es dort keine Geschäftsräume gibt, oder diese einfach unerschwinglich sind, wird die Erdgeschosswohnung kurzerhand zum Laden umfunktioniert.
Das Fenster kommt raus, dafür eine Tür hinein und schon hat man einen kleinen Laden.
Oft werden auch ganze Zimmer angebaut oder Etagen aufgestockt, alles illegal versteht sich.
Der Spruch 治理开墙打洞 zhì lǐ kāi qiáng dǎ dòng (Sanierung der offenen Mauer) beschreibt den Umstand, dass viele Geschäfte, um einen Zugang zur Strasse zu haben, Mauern und Wände aufgestemmt haben, die eigentlich fremde Leute davon abhalten sollen, in ein bestimmtes Areal zu gelangen (Beijing ist eine Aneinanderreihung von Communities, also eingezäunten Wohnvierteln.).
Diese kleinen Läden und Restaurants prägen vielerorts das Stadtbild Beijings. Gerade in den alten Stadtvierteln, den Hutongs (胡同 hú tòng) verwandeln sie die eintönigen, grauen Gassen in ein Labyrinth aus kleinen Lichtern, Pflanzen und jeder Menge Menschen die sich hier treffen und Spass haben.
Die Alten sitzen auf der Strasse beim chinesischen Schach oder Kartenspiel zusammen und schauen sich das bunte Treiben an, während die jüngeren Generationen durch die privaten Modeateliers der Nachwuchskünstler schlendern oder sich beim Kaffee im Hinterhof-cafe treffen.
Dass die alten Stadtviertel nach und nach verschwinden ist ja nichts Neues mehr, allerdings setzt die neue Sanierungswelle wieder neue Massstäbe in Sachen Intensität und Geschwindigkeit.
Die Obrigkeit lässt keinen Zweifel an der Dringlichkeit ihres Vorhabens.
Ich habe bereits Strassenzüge in den Hutongs (胡同 hú tòng) gesehen, in denen mehr als doppelt so viele Sicherheitskräfte wie eigentliche Bauarbeiter zu den Abrissarbeiten bestellt wurden, um sicherzustellen dass auch alles nach Plan läuft.
Es scheint, als könnte Beijing nicht schnell genug das loswerden, was es von allen anderen, gesichtslosen Millionenmetropolen Chinas unterscheidet, um sich endlich in die Liste der langweiligsten Städte der Welt einzuordnen.
Und so verliert Beijing nach und nach sein Gesicht (Diesmal nicht nur im chinesischen Sinne, sondern vor allen Dingen im westlichen).
Lassen Sie mich kurz erklären: Es gibt einige sehr schöne chinesische Städte in denen man sich auch wirklich wohlfühlen kann, aber der Grossteil sind reine Wohn- und Arbeitszentren.
Ich habe schon etliche chinesische Städte besichtigt und habe zwischen den meisten von ihnen keine Unterschiede erkennen können.
Selbst die Gebäude sind oft nur Blaupausen, die überall in China immer und immer wieder aus dem Boden gestampft werden.
Das liegt oft daran, dass viele der chinesischen Städte geplant und innerhalb kürzester Zeit gebaut wurden, sie sind nicht gewachsen.
Dagegen haben die Städte mit einer Geschichte oft mehr zu bieten, so wie Beijing oder Xi’an.
Aber was nutzt es, wenn im grossen Stile diese Eigenarten systematisch zerstört werden ?
Ich kann verstehen, dass die chinesische Regierung gegen illegale Bebauung vorgehen möchte, was allerdings passiert ist noch etwas anderes.
Die Viertel werden sozusagen Entkernt. Die Leute die hier leben verlieren ihr Geschäft, also ihre Existenzgrundlage und verkaufen die Wohnungen, da sie sie für einen hohen Preis loswerden können.
Sie ziehen dann in einen der Wohntürme (ich hatte im Artikel Wohnburgen darüber berichtet.)
(Über diese Leute, die aus den Hutongs (胡同 hú tòng) in ein Appartement und auch die Leute die vom Land in die Stadt gezogen sind könnte man wieder eine eigene Geschichte erzählen, aber das soll in einem anderen Artikel geschehen.)
Die Viertel werden dann von Investoren aufgekauft, komplett saniert und an extrem reiche Geschäftsleute weiterverkauft.
Es wird eine Mauer darum gezogen und kein „Normalsterblicher“ hat je wieder die Gelegenheit einen Blick ins Innere zu werfen.
Die sanierten Hutongs (胡同 hú tòng) südlich des Trommelturms sind ein typisches Beispiel hierfür.
Das neue Vorgehen von offizieller Seite richtet sich aber nicht nur gegen die alten Stadtviertel, auch andere, in den Augen der Machthabenden, verwahrloste Stadtviertel sind davon betroffen.
So wurden denn auch die ganzen kleinen Kioske und Minimärkte in den Erdgeschosswohnungen der Plattenbauten geschlossen, die sich auf dem Weg von meiner Wohnung zur U-Bahn befanden und ich muss einen riesigen Umweg laufen, wenn ich mir etwas zu trinken kaufen will.
Von offizieller Seite heisst es, dass die Strassenzüge dadurch gesäubert werden, die Architektur bewahrt und natürlich gegen illegale Geschäfte vorgegangen wird.
Allerdings hat das ganze sehr viel weitreichendere Auswirkungen. Gerade in den Hutongs (胡同 hú tòng) gibt es hierdurch eine Umverteilung des Grundbesitzes von der Mittelschicht zur Oberschicht.
Der Innenstadtbereich Beijings wird, wenn es so weiter geht, in Zukunft nicht mehr zu besichtigen sein, da es sich ausschliesslich um abgesperrte Communities handeln wird.
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China Blog on : Das Prinzip der Mauer
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Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viele Mauern, wie in Beijing.Als ich 2010 bis 2012 das erste Mal in Beijing gelebt habe, wohnte ich mal hier, mal dort, so wie es sich halt ergeben hat. Mal in Hotels, mal mit anderen Chinesisch-Studenten in einer Comment (1)
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