Nichts ist so langlebig wie ein Provisorium
Die Menschen sind alle gleich, überall auf der Welt. Das ist auch in China nicht anders. Wenn man jung ist, jagt man den neuesten elektronischen Spielereien hinterher, wenn man älter ist interessiert man sich (in der Regel) für das andere Geschlecht, noch später sind die Kinder der Mittelpunkt des eigenen Lebens und noch später die eigene Gesundheit.
Allerdings sind die Herangehensweisen weltweit nicht identisch. Wenn man als Deutscher in einem Land wie China lebt, sind die Unterschiede teilweise erheblich.
Die ständige Auflistung der Unterschiede in diesem Blog dient dazu, den Daheimgebliebenen einen kleinen Einblick zu geben, wie das Leben hier so funktioniert. Viele Dinge funktionieren anders. Daran muss man sich gewöhnen.
Es soll keine Wertung sein wenn ich über Dinge schreibe, die ich so nicht gewohnt bin. Ich möchte mich nicht über alles beschweren, so wie die jungen Frauen am Nachbartisch in dem Cafe, in dem ich gerade sitze. Ich schätze mal ein kleines Grüppchen aus Amerikanerinnen und Deutschen, die offensichtlich nicht müde werden alles um sie herum als störend zu empfinden.
Ganz im Gegenteil: Genau das sind die Dinge, die einen Menschen wachsen lassen. (Ich muss gerade denken dass ich, würde ich so eine Person als Freundin oder Frau haben, mich sofort umbringen würde. )
Einige Dinge sind einfacher in Deutschland, einige Dinge sind einfacher in China. Das ist einfach so. Hinzu kommt natürlich der Umstand, dass man als Ausländer auch noch die täglichen Probleme hat. Die kryptischen Werte des Wasserzählers ablesen und die Daten den zuständigen Personen zusenden, oder Bankgeschäfte auf chinesisch zu regeln zum Beispiel. Aber darum soll es hier jetzt gar nicht gehen.
Es geht um Unterschiede, die einem täglich wieder begegnen, Dinge die man ständig sieht, so wie die Planung von Strassen, Häusern, öffentlichen und privaten Plätzen etc. Hier sind die Unterschiede teilweise gigantisch.
In Deutschland wird geplant, diskutiert, verworfen, neu geplant, abgestimmt, das Projekt begonnen und nach einigen Anpassungen dann auch beendet und noch einmal aufpoliert. Alles funktioiert, darf aber nicht benutzt werden, weil es kaputt gehen könnte.
Zum Vergleich dazu: In China steht am Anfang die Idee, dann wird mit dem Projekt begonnen, auftretende Fehler provisorisch gefixt und ist innerhalb kürzester Zeit fertig gestellt. Dann kümmert sich niemand mehr darum und es verkommt, wird aber weiterhin genutzt.
Es ist immer wieder interessant zu sehen wie zum Beispiel die Strassen gestaltet sind. Hier ein typisches Beispiel, das mir in abgewandelter Form schon hunderttausendmal aufgefallen ist:
Um die Parkplätze vor dem Haus zu schützen gibt es eine kleine Mauer, die sie vom Bürgersteig trennt. Da es sich aber um einen riesigen Häuserblock handelt, ist der nächste ebenerdige Zugang gute 100 Meter entfernt.
Da sich im Erdgeschoss der Häuser aber auch Geschäfte befinden, ist das natürlich nicht praktikabel, ständig wollen Leute hin und her. Also lautet die pragmatische Lösung: Es werden mehrere Steine oder Platten, die vom Bauschutt übrig geblieben sind aufgestapelt und dienen als kleine Treppe.
Diese Art von Treppen kann man überall sehen, auch wenn der Bürgersteig etwas zu hoch ist. Und sie sind oft auch noch da, nachdem die Häuser bereits wieder abgerissen wurden. Hier bestätigt sich das alte Sprichwort: “nichts ist so langlebig wie ein Provisorium”.
Wenn man mitten im Stadtzentrum unter den Brücken durchläuft, über die die Ringstrassen laufen, kann man hin und wieder ein offenes Stromkabel sehen, das von oben herab hängt. Ziemlich gefährlich, denn es hängt meist in Kopfhöhe.
Das ist nicht einfach ein Überbleibsel der Bauarbeiten, sondern wird tatsächlich hin und wieder genutzt. Und wenn kein Strom gebraucht wird, macht man eine Schlaufe hinein und hängt seine Kleiderbügel mit der Wäsche zum trocknen daran.
Mit Stromkabeln wird offensichtlich nicht so vorsichtig umgegangen, wie in Deutschland.
Die Verlegung der Kabel, die oft überirdisch bewerkstelligt wird, ist teilweise recht abenteuerlich. Ich denke dann immer: “ok, das ist erst einmal privisorisch, bis es dann richtig gemacht wird”. Aber der Umstand, dass die Kabel bereits Spuren auf der dahinter liegenden Wand vom Regen und anderen Umwelteinflüssen hinterlassen haben, lässt mich erkennen dass dies auch eines der ewigen Provisorien ist.
Was weiterhin auffällt ist, dass Plätze ohne die ständige Anwesenheit von Strassenreinigern extrem schnell verdrecken. Selbst an Plätzen, die nicht genutzt werden, weil die Strassen noch nicht fertig gebaut sind in den Aussenbezirken von Beijing stapelt sich der Müll. Man fragt sich: “Wo kommt er her ? Es ist doch niemand hier.”
Chinesen scheinen immer und überall ihrem Müll hinzuschmeissen. Eine Sache, die mir immer wieder aufgefallen ist.
Für die Umstehenden muss es ziemlich befremdlich gewirkt haben, als ich extra die Strassenseite gewechselt habe um mein Bonbonpapier in den Papierkorb zu werfen, während auf der anderen Strassenseite gerade jemand seine alten Spraydosen in den kärglichen Büschen entsorgt.
Aber das ist natürlich nur ein Teil des Bildes. Treten wir einen Schritt zurück und schauen etwas genauer hin:
Die industrielle Revolution hat in Europa so einiges verändert und das nicht immer zum Guten. Als die Leute merkten, dass die Umwelt zu Grunde geht und man die Luft nicht mehr atmen kann hat man nicht etwa daran gearbeitet die Verschmutzung zu minimieren (das kam erst später), man hat das Problem outgesourct. Die giftigen Stoffe einfach in Länder entsorgt, die weit weg waren, wie China oder Indien. Und bis heute wird teilweise noch so verfahren.
Dort schmelzen Kinder auf den riesigen Müllkippen die Kupferverbindungen mit dem Gasbrenner von den Computerplatinen unserer entsorgten Altgeräte und die giftigen Begleitstoffe sickern durch den Müll in das Grundwasser und vergiften ganze Generationen.
Wir sollten also vorsichtig sein, wenn wir mit erhobenem Zeigefinger behaupten wir seien unschuldig, wenn die Welt langsam zu Grunde geht. Es ist das, was wir exportiert und ihnen gebracht und beigebracht haben.
(über die Amerikaner, die sich noch nie an den Gesprächen zur Einhaltung von Grenzwerten beteiligt haben brauchen wir an dieser Stelle gar nicht zu reden.)
An dieser Stelle besteht definitiv Nachbesserungsbedarf. Und zwar an allen Fronten. Es muss ein Umdenken in den Köpfen der Menschen stattfinden. Wenn ich sehe, was hier in China täglich um mich herum passiert, denke ich oft: “es kann sich nur noch um Wochen handeln bis die Welt endgültig kaputt ist”. An dieser Stelle muss eine richtige Lösung her, hier hilft leider kein Provisorium.
Allerdings sind die Herangehensweisen weltweit nicht identisch. Wenn man als Deutscher in einem Land wie China lebt, sind die Unterschiede teilweise erheblich.
Die ständige Auflistung der Unterschiede in diesem Blog dient dazu, den Daheimgebliebenen einen kleinen Einblick zu geben, wie das Leben hier so funktioniert. Viele Dinge funktionieren anders. Daran muss man sich gewöhnen.
Es soll keine Wertung sein wenn ich über Dinge schreibe, die ich so nicht gewohnt bin. Ich möchte mich nicht über alles beschweren, so wie die jungen Frauen am Nachbartisch in dem Cafe, in dem ich gerade sitze. Ich schätze mal ein kleines Grüppchen aus Amerikanerinnen und Deutschen, die offensichtlich nicht müde werden alles um sie herum als störend zu empfinden.
Ganz im Gegenteil: Genau das sind die Dinge, die einen Menschen wachsen lassen. (Ich muss gerade denken dass ich, würde ich so eine Person als Freundin oder Frau haben, mich sofort umbringen würde. )
Alte Stadtviertel verwandeln sich in Neubausiedlungen
Es geht um Unterschiede, die einem täglich wieder begegnen, Dinge die man ständig sieht, so wie die Planung von Strassen, Häusern, öffentlichen und privaten Plätzen etc. Hier sind die Unterschiede teilweise gigantisch.
In Deutschland wird geplant, diskutiert, verworfen, neu geplant, abgestimmt, das Projekt begonnen und nach einigen Anpassungen dann auch beendet und noch einmal aufpoliert. Alles funktioiert, darf aber nicht benutzt werden, weil es kaputt gehen könnte.
Zum Vergleich dazu: In China steht am Anfang die Idee, dann wird mit dem Projekt begonnen, auftretende Fehler provisorisch gefixt und ist innerhalb kürzester Zeit fertig gestellt. Dann kümmert sich niemand mehr darum und es verkommt, wird aber weiterhin genutzt.
Es ist immer wieder interessant zu sehen wie zum Beispiel die Strassen gestaltet sind. Hier ein typisches Beispiel, das mir in abgewandelter Form schon hunderttausendmal aufgefallen ist:
Um die Parkplätze vor dem Haus zu schützen gibt es eine kleine Mauer, die sie vom Bürgersteig trennt. Da es sich aber um einen riesigen Häuserblock handelt, ist der nächste ebenerdige Zugang gute 100 Meter entfernt.
Da sich im Erdgeschoss der Häuser aber auch Geschäfte befinden, ist das natürlich nicht praktikabel, ständig wollen Leute hin und her. Also lautet die pragmatische Lösung: Es werden mehrere Steine oder Platten, die vom Bauschutt übrig geblieben sind aufgestapelt und dienen als kleine Treppe.
Diese Art von Treppen kann man überall sehen, auch wenn der Bürgersteig etwas zu hoch ist. Und sie sind oft auch noch da, nachdem die Häuser bereits wieder abgerissen wurden. Hier bestätigt sich das alte Sprichwort: “nichts ist so langlebig wie ein Provisorium”.
Wenn man mitten im Stadtzentrum unter den Brücken durchläuft, über die die Ringstrassen laufen, kann man hin und wieder ein offenes Stromkabel sehen, das von oben herab hängt. Ziemlich gefährlich, denn es hängt meist in Kopfhöhe.
Das ist nicht einfach ein Überbleibsel der Bauarbeiten, sondern wird tatsächlich hin und wieder genutzt. Und wenn kein Strom gebraucht wird, macht man eine Schlaufe hinein und hängt seine Kleiderbügel mit der Wäsche zum trocknen daran.
Mit Stromkabeln wird offensichtlich nicht so vorsichtig umgegangen, wie in Deutschland.
Die Verlegung der Kabel, die oft überirdisch bewerkstelligt wird, ist teilweise recht abenteuerlich. Ich denke dann immer: “ok, das ist erst einmal privisorisch, bis es dann richtig gemacht wird”. Aber der Umstand, dass die Kabel bereits Spuren auf der dahinter liegenden Wand vom Regen und anderen Umwelteinflüssen hinterlassen haben, lässt mich erkennen dass dies auch eines der ewigen Provisorien ist.
Was weiterhin auffällt ist, dass Plätze ohne die ständige Anwesenheit von Strassenreinigern extrem schnell verdrecken. Selbst an Plätzen, die nicht genutzt werden, weil die Strassen noch nicht fertig gebaut sind in den Aussenbezirken von Beijing stapelt sich der Müll. Man fragt sich: “Wo kommt er her ? Es ist doch niemand hier.”
Chinesen scheinen immer und überall ihrem Müll hinzuschmeissen. Eine Sache, die mir immer wieder aufgefallen ist.
Für die Umstehenden muss es ziemlich befremdlich gewirkt haben, als ich extra die Strassenseite gewechselt habe um mein Bonbonpapier in den Papierkorb zu werfen, während auf der anderen Strassenseite gerade jemand seine alten Spraydosen in den kärglichen Büschen entsorgt.
Aber das ist natürlich nur ein Teil des Bildes. Treten wir einen Schritt zurück und schauen etwas genauer hin:
Die industrielle Revolution hat in Europa so einiges verändert und das nicht immer zum Guten. Als die Leute merkten, dass die Umwelt zu Grunde geht und man die Luft nicht mehr atmen kann hat man nicht etwa daran gearbeitet die Verschmutzung zu minimieren (das kam erst später), man hat das Problem outgesourct. Die giftigen Stoffe einfach in Länder entsorgt, die weit weg waren, wie China oder Indien. Und bis heute wird teilweise noch so verfahren.
Dort schmelzen Kinder auf den riesigen Müllkippen die Kupferverbindungen mit dem Gasbrenner von den Computerplatinen unserer entsorgten Altgeräte und die giftigen Begleitstoffe sickern durch den Müll in das Grundwasser und vergiften ganze Generationen.
Wir sollten also vorsichtig sein, wenn wir mit erhobenem Zeigefinger behaupten wir seien unschuldig, wenn die Welt langsam zu Grunde geht. Es ist das, was wir exportiert und ihnen gebracht und beigebracht haben.
(über die Amerikaner, die sich noch nie an den Gesprächen zur Einhaltung von Grenzwerten beteiligt haben brauchen wir an dieser Stelle gar nicht zu reden.)
An dieser Stelle besteht definitiv Nachbesserungsbedarf. Und zwar an allen Fronten. Es muss ein Umdenken in den Köpfen der Menschen stattfinden. Wenn ich sehe, was hier in China täglich um mich herum passiert, denke ich oft: “es kann sich nur noch um Wochen handeln bis die Welt endgültig kaputt ist”. An dieser Stelle muss eine richtige Lösung her, hier hilft leider kein Provisorium.
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China Blog am : Das Prinzip der Mauer
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Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viele Mauern, wie in Beijing.Als ich 2010 bis 2012 das erste Mal in Beijing gelebt habe, wohnte ich mal hier, mal dort, so wie es sich halt ergeben hat. Mal in Hotels, mal mit anderen Chinesisch-Studenten in einer Kommentar (1)
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