Die letzte Bahn
Der Andrang an den Haltestellen zu Stosszeiten ist bereits gross, bevor man die Sicherheitskontrolle erreicht hat.
Am Freitag war ich noch mit einem Kollegen nach der Arbeit in einem Restaurant, wir haben etwas gequatscht und es war halb zwölf.
11:30 an einem Freitag Abend bei sommerlichen Temperaturen, das ist ja nun durchaus nichts ungewöhnliches.
Und doch, in Beijing bedeutet das schon eine Menge Ärger, oder kann es zumindest bedeuten.
Bleibt man noch länger, so wird es wieder ein wenig besser, aber genau um diese Zeit sollte man nicht versuchen nach Hause zu kommen.
Aber erst einmal ein paar grundlegende Hintergrundinformationen:
Ich wohne noch im Innenstadtbereich im Süden, meine Arbeit und das Restaurant, in dem wir waren, liegen im östlichen Teil des Innenstadtbereichs.
Hört sich so weit erst einmal noch ganz gut an. Allerdings ist Beijing unglaublich gross, das heisst: auch der Innenstadtbereich erstreckt sich über ein riesiges Gebiet.
Wie riesig kann man ganz einfach an der Entfernung von meiner Wohnung zu meiner Arbeit feststellen.
Ich brauche mit der U-Bahn etwas mehr als 40 Minuten, dann ist da jeweils noch ein kleiner Fussmarsch von den Haltestellen.
Ich habe mir an einem Wochenende einmal den Spass erlaubt und bin die Strecke zu Fuss gelaufen.
In guter Wandermanier, zügigen Schrittes ohne Pausen hat es tatsächlich gute fünf Stunden gedauert (und ich laufe wirklich nicht langsam). Die Entfernungen in Beijing sind einfach unglaublich.
Dann haben wir das Problem, dass um 11:30 an den meisten U-Bahnstationen der Betrieb eingestellt wird.
Wenn man nachts zu Fuss unterwegs ist sieht man teils recht seltsame Dinge.
Dann muss man auf die Taxis ausweichen, von denen es viel zu wenige gibt. Ausserdem gibt es, gerade für Ausländer, hier noch einige andere Probleme, wie Fahrer, die partout nicht für Ausländer anhalten etc. (Ich hatte im Artikel Taxi bereits darüber berichtet).
Neuerdings gibt es natürlich auch die Mitfahrapps, die man sich auf seinem Handy installieren kann, wie Uber oder 滴滴 (dī di).
Im Artikel Alternatives Geld für alternatives Taxi hatte ich das mal angesprochen.
Eigentlich eine schöne Idee: Man markiert auf dem Stadtplan wo man ist und wo man hin möchte, ein Fahrer meldet sich und fährt eben genau die Route des Plans ab.
Seit kurzem gibt es Uber allerdings in China nicht mehr. Das amerikanische Unternehmen hat seinem chinesischen Konkurrenten 滴滴 (dī di) das Feld überlassen.
Das bedeutet, dass es nicht mehr genug Fahrer gibt um zu den Stosszeiten alle Leute zu befördern und für Ausländer ist es natürlich wieder etwas komplizierter, da die Fahrer in der Regel nur Chinesisch sprechen und auch die App bis jetzt nur in Chinesisch erhältlich ist.
Die App hat auch noch einen weiteren grossen Nachteil: Wenn man eine Weile gewartet hat und sich kein Fahrer meldet, wird automatisch der Preis erhöht, um so einen Wagen anzulocken.
Wir haben also um 11:30 in Beijing folgende Probleme:
Die Bahnen fahren nicht mehr und die Wege sind zu weit um sie zu Fuss zu bewältigen.
Es stehen überall auf den Strassen Menschen, die ebenfalls die letzte Bahn nicht mehr bekommen haben, in der Hoffnung ein Taxi zu bekommen.
Taxis gibt es viel zu wenige und viele halten nicht für Ausländer.
Uber gibt es nicht mehr und auch Fahrer von 滴滴 (dī di) sind in zu dieser Zeit nicht genug da.
Zu allem Überfluss nutzen die meisten Fahrer solche Gelegenheiten dann auch noch schamlos aus, indem sie einfach warten, bis sich der Fahrpreis erhöht hat auf ein Niveau, das ihnen zusagt.
Dieses Phänomen kann man immer wieder feststellen, wenn die Bahnen nicht mehr fahren, es regnet, oder zu den Hauptverkehrszeiten und an beliebten Plätzen, an denen viele Leute ein Taxi suchen, wie den grossen Einkaufsstrassen in der Innenstadt zum Beispiel.
Es macht tatsächlich Sinn, wenn man die letzte Bahn verpasst hat, noch eine Stunde irgendwo ein, zwei Bier zu trinken.
Danach ist es wieder etwas einfacher ein Taxi zu bekommen.
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