Wieder giftige Luft
Nicht nur Sommer und Winter verändern das Gesischt der Stadt, auch wenn die Luftwerte schlecht sind, wirkt Beijing schnell sehr trostlos.
Ich hatte ja bereits darüber berichtet. Die Heizung wird zentral gesteuert und man kann nicht einfach heizen wie man will.
Zumindest nicht mit der Heizung. Wenn sie noch nicht an, man aber der Meinung ist, dass es zu Hause oder auf der Arbeit bereits zu kalt ist, so muss man sich mit elektrischen Heizöfen oder ähnlichem behelfen.
Aber jetzt ist die Heizung seit mehr als einer Woche bereits in Betrieb.
Am ersten Tag, an dem sie angeschaltet wird, hat das zur Folge dass die Luftqualität vom einen auf den anderen Tag extrem schlecht wird.
Die zentrale Heizung wird durch unzählige Betriebe versorgt, die ihre oft kohle- und rußhaltigen Abgase ungefiltert in die Umwelt blasen.
Waren wir vorher bei Werten zwischen 50 und 80 (was für Beijing tatsächlich sehr gut ist), so sind die Werte direkt auf 300 angestiegen.
Wenn es dann ein paar Tage nicht regnet und auch kein Wind geht, ist man schnell wieder über 700 oder noch höher.
Aber die offizielle App fürs Handy, die die aktuellen Werte anzeigt, geht ja nur bis 500. Ich habe mir inzwischen auch die App der Amerikanischen Botschaft aus Beijing installiert und vergleiche immer beide.
Ich gehe davon aus, dass beide nicht 100 prozentig ehrlich sind, aber man kann zumindest vergleichen und dann vermuten, wie schlimm es tatsächlich ist.
Es gab glücklicherweise ein paar windige Tage, das hat es nicht ganz so schlimm werden lassen, wie befürchtet, aber es wird bereits jetzt prognostiziert dass dieser Winter nicht nur der kälteste seit Jahren wird, sondern dass auch die Luftwerte, mit denen die Vermutzung gemessen wird, die Messlatte wieder höher legen und neue Rekordergebnisse erreicht werden.
Wir haben uns auch direkt einen zusätzlichen Luftreiniger gekauft. Der alte (Ich hatte ja bereits in Artikel Nebel des Grauens über HAL berichtet.) reicht gerade um die Luft im Schlafzimmer zu filtern. Für den grossen Wohnbereich brauchten wir etwas grösseres.
Diese Dinger sind überlebenswichtig, filtern sie doch den Grossteil der giftigen Stoffe aus der Luft.
Jetzt noch ein paar Pflanzen dazu um auch ein paar Sauerstoffproduzenten in den eigenen vier Wänden zu haben, dann sieht es drinnen schon um einiges besser aus.
Aber machen wir uns nichts vor: Der Dreck kommt immer noch durch jede Ritze. Wenn man sich ein Lasermessgerät kauft, das die Verschmutzung messen kann, sieht man dass in der Nähe der Fenster die Werte fast so hoch sind wie draussen.
Und nicht nur das. Durch die Abflüsse und sogar über die Wasserleitungen kommt der giftige Cocktail aus der Luft auch.
Es reicht also nicht die Luft in der Wohnung einmal zu filtern und dann alle Türen zu schliessen, der Dreck kommt immer wieder rein.
Die Luftwerte in Beijing haben sich über die letzten Jahre alarmierend verschlechtert. Bei immer mehr Kindern wurde in den vergangenen Jahren Lungenkrebs diagnostiziert. Insgesamt sind die ernsthaften Erkrankungen die Lunge betreffend um schätzungsweise 40% angestiegen.
Langsam wird mir klar, warum viele der Ausländer aus Beijing wieder zurück in ihre Heimat gehen, wenn sich eine gute Gelegenheit dazu bietet.
Spätestens wenn man eine Familie gegründet und Kinder hat überlegt man sich, ob es nicht doch besser wäre wenn die Sprösslinge in einer sauberen Umgebung aufwüchsen ohne die ständige Angst im Hinterkopf, dass die Kleinen in jungen Jahren bereits zu Krüppeln verkommen.
Man kann sich als Erwachsener mehr oder weniger auf solch eine Situation einstellen. Ich zum Beispiel verbringe an solchen Tagen den Grossteil des Tages auf der Arbeit, wo etliche der Luftfilter stehen, oder zu Hause oder in der U-Bahn.
Ich versuche so wenig wie möglich nach draussen zu gehen. Und wenn, dann wirklich nur mit 口罩 kǒu zhào (einer Atemschutzmaske).
Mein Joggingprogramm habe ich auch nach drinnen verlegt und mir ein Laufband gekauft.
Diese Geräte sind in China tatsächlich erschwinglich. Liegt wahrscheinlich an der erhöhten Nachfrage hier.
Aber es gibt nichts daran zu rütteln: So schön Beijing ist, wenn die Luftwerte mitspielen, so deprimierend und kaputt ist es, wenn die Luft ist, wie sie jetzt ist.
Wenn man aus dem Fenster sieht, kann man wieder nichts sehen, ausser einer grauen Wand. Es ist tatsächlich beängstigend.
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