Innen und aussen
Ein Aufdruck, der es genau auf den Punkt bringt. Wobei dieses Kleidungstück selber eigentlich ein Original und sehr originell ist.
Gerade im täglich Leben, auf der Strasse oder im Geschäft kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass gute Umgangsformen Chinesen völlig fremd sind.
Es wird vorgedrängelt, gelogen, beschissen und Preise nach eigenem Gutdünken dem Aussehen des Kunden angepasst.
Alles im krassen Gegensatz zu den feinen Umgangsformen, die man erwarten würde, wenn man sich mit der Sprache beschäftigt.
Hier wird sehr viel Wert darauf gelegt den Gegenüber nicht in eine Situation zu bringen, in der er sein Gesicht verlieren würde.
Viele Dinge werden gewunden, teilweise schon umständlich ausgedrückt, um den Satz so positiv wie möglich klingen zu lassen.
Das sind zwei völlig verschiedene Welten und die meisten Ausländer halten die eine bloss für fake, während sie im täglichen Leben ständig mit der anderen konfrontiert werden.
Nun, das ist so allerdings nicht ganz richtig. Es gibt tatsächlich beide Welten, allerdings nicht für jedermann.
Chinesen unterteilen so ziemlich alles in “innen” und “aussen”.
“Innen” ist zum Beispiel die Familie und alle Mitglieder die dazu gehören. Hier kümmert man sich um einander, so wie man es als Europäer nur noch aus Büchern kennt. Die Familie steht über allem und man hilft sich, egal worum es auch geht.
Bei einigen der Strassenimbisse kann man nicht immer mit Sicherheit sagen, ob tatsächlich das drin ist, was verkauft wird.
Hier gilt das genaue Gegenteil. Die Leute aussen sind egal.
Als Ausländer ist man in der Regel immer aussen und wird von fast jedem als unwichtig eingestuft.
Aber auch Chinesen unter sich machen hier ganz klare Unterschiede.
Ein erschreckendes Beispiel hierfür ist ein Unfall, der sich ereignet hatte, als ich das erste mal in Beijing war.
Ich war nicht persönlich dabei, aber das Ereignis hat in allen sozialen Medien weite Kreise gezogen.
Ein Kind wurde von einem Auto angefahren und lag auf der Strasse, während der Fahrer das Weite gesucht hatte.
Eine viel befahrene Strasse mit Unmengen an Passanten, aber niemand hat etwas gemacht. Alle sind vorbeigelaufen.
Erst als noch ein Autofahrer über den Körper des Kindes gefahren ist, hat jemand einen Krankenwagen gerufen.
Es gibt noch mehr Erklärungen dafür, was passiert ist. Zum Beispiel dass Chinesen extreme Angst haben sich in derlei Situationen einzumischen, da diese nicht selten gespielt sind und darauf abzielen ahnungslosen Leuten Geld abzunehmen.
Aber es ist auch ein sehr krasses Beispiel für das “innen” und “aussen” Denken der chinesischen Kultur.
Ein eben so gutes Beispiel (falls man hier überhaupt von gut reden kann) sind Plagiate, die den anderen die “aussen” sind als angebliche Originale verkauft werden.
In China wird alles kopiert und gefälscht. Ich rede nicht nur über Markenprodukte wie Kleidung, Elektronik oder Luxusgüter, sondern auch über Lebensmittel und alles andere mögliche auch.
Der Milchpulver Skandal zum Beispiel. Eine chinesische Firma hatte auf Grund der enormen Nachfrage an Milchpulver für Kleinkinder die Produktion frisiert und mit etwas Chemie nachgeholfen die angestrebten Produktionszahlen zu erreichen.
Das Ergebnis war, dass unzählige unwissender Eltern ihren Kleinen giftige Substanzen ins tägliche Trinken gemischt haben.
Oder der Ölskandal. (Eigentlich gibt es mehrere). Da für viele chinesische Gerichte eine Menge Öl verwendet wird, wird in einzelnen Restaurants das Öl auch gerne mal wiederverwendet. Man spricht hier von 口水油 kǒu shuǐ yóu, übersetzt Spucke-Öl, weil bereits Leute davor davon gegessen haben.
Auch dieses Restaurant ist fake. Es wird ein Name ähnlich dem eines sehr angesagten Restaurants aus dem Nordosten Chinas verwendet um Kunden anzulocken.
Oder ein anderes Beispiel: Da das Wasser aus der Leitung in der Regel, nicht nur auf Grund der sichtbaren sondern auch allerlei möglichen chemischen Rückstände, nicht trinkbar ist, muss man gezwungenermassen teures Trinkwasser kaufen.
Wenn man Pech hat, kauft man eine Flasche oder einen Kanister einer Marke, wo findige Gauner den Inhalt bereits mit dem eben beschriebenen Leitungswasser aufgefüllt und den Verschluss wieder verschweisst haben.
Es gab vor einiger Zeit den Lammfleisch Skandal. Hier wurde billigeres Fleisch meist mit Hilfe von Öl aromatisiert und danach eingefärbt um als teureres Fleisch verkauft zu werden. In einem Fall wurde angeblich sogar Rattenfleisch verkauft.
Und wenn man an den Strassenständen essen geht bekommt man sehr häufig altes, ungeniessbares Fleisch untergeschoben, das man auf Grund der stark gewürzten Sosse nicht merkt.
Erst wenn das Fleisch ganz schnell den Körper wieder verlassen möchte und einen mit Magenschmerzen dazu bringt einen Grossteil der im Körper gespeicherten Flüssigkeit auch mit auszuscheiden weiss man, was passiert ist.
Man mag es kaum glauben, auch beim Wasser wird beschissen. So bekommt man schon mal gesundheitlich bedenkliches in einer Markenverpackung.
Und genau das ist es, was mir Sorgen macht. Es ist zur Normalität verkommen die da “aussen” zu vergiften oder sonst wie zu belügen um an ihr Geld zu kommen.
China ist ein ein Land in dem man auf die Frage “ist das echt oder gefälscht”, wenn man nicht direkt belogen wird, tatsächlich die Antwort “nicht gefälscht, sondern kopiert” bekommt. Da besteht für Chinesen offensichtlich ein Unterschied.
In Beijing gibt es eigentlich gar nicht so viele Plagiate zu kaufen. Also im landesweiten Vergleich jetzt. Es gibt sie immer noch an jeder fünften Strassenecke, aber eben nicht an jeder.
Wenn man in China’s Süden reist, sieht das ganz anders aus. Hier findet man Fälschungen, die den Originalen verblüffend ähnlich sind. Meist in schlechterer Qualität, aber nicht immer.
Einige sind bewusst etwas verändert. Das kann durchaus recht lustig wirken. So kann man zum Beispiel ein Airphone kaufen, das dem iphone doch schon extrem ähnlich sieht. Oder das Markenlogo ist eine Birne anstatt eines Apfels.
In kleinen Läden in denen die Preise nicht angeschrieben sind, kommt es oft vor dass man gerade als Ausländer sehr viel mehr bezahlt als andere Kunden.
Ich habe einmal von einem deutschen Sportartikelhersteller gehört, der in China hat produzieren lassen. Die Angestellten haben wohl ohne Wissen des Konzerns nachts weitergearbeitet und die Überproduktion privat verkauft.
Also eigentlich keine Plagiate, sondern Originale. Nur eben nicht legal.
Aber in der Regel werden Kopien hergestellt um den Personen “aussen” Geld abzunehmen. Meist in minderwertiger Qualität.
Diese Dinge sind es, die viele Ausländer mit der Zeit in China verzweifeln lassen.
Ohne chinesischen Familenanschluss und mit meist nur spärlichen Chinesischkenntnissen sind sie gezwungen in Expat-Communities zu leben und sind für den chinesischen Alltag immer die, die “aussen” sind.
Ein Umstand, den ich auf jeden Fall vermeiden wollte und alleine deshalb schon Chinesisch gelernt habe und in ein Stadtviertel gezogen bin in dem es keine anderen Ausländer gibt.
Und es funktioniert tatsächlich. Man kann im Geschäft, wenn man sich erst einmal mit dem Verkäufer über dies und das auf chinesisch unterhält, bevor man nach dem Preis fragt, des öfteren all zu grosse Preisunterschiede zu anderen, einheimischen Kunden vermeiden. Nicht immer, aber immer öfter.
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China Blog am : Familie bedeutet zu Hause
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Skulptur in einem Park.Nun ist es endlich so weit: Wir ziehen in eine neue Wohnung. Das war auch lange überfällig. Ich hatte ja in den Artikeln Volles Rohr und Meine persönliche Reise nach Westen über die Probleme mit Heizung, Insekten und unangenehmen N Kommentare (2)
China Blog am : Das Prinzip der Mauer
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Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viele Mauern, wie in Beijing.Als ich 2010 bis 2012 das erste Mal in Beijing gelebt habe, wohnte ich mal hier, mal dort, so wie es sich halt ergeben hat. Mal in Hotels, mal mit anderen Chinesisch-Studenten in einer Kommentare (2)
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